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Was bedeutet Dynaxity?

Für euch nachgefragt im Oktober 2021

Begriffe rund um Coaching, betriebl. Mentoring, Supervision und Resilienztraining wirkungsvoll erklärt

In diesem Monat haben wir bei Karin Sidler, Geschäftsführung, nachgefragt, was der Begriff «Dynaxity» bedeutet. Im folgenden Text erläutert sie, woher der Begriff stammt, was darunter zu verstehen ist und wie dieses Wissen in Begleitungsprozesse einfliessen kann.

 

Dynaxity

Die Anforderungen nehmen sowohl in der Arbeitsals auch im Privatleben stetig zu. Zum einen ist die Komplexität der Arbeitsaufgaben als auch der privaten Beziehungen angestiegen. Zum anderen verändert sich unsere Welt immer schneller und entwickelt Eigendynamiken, die sich unserer Kontrolle entziehen, wie etwa die Erderwärmung oder die Finanzkrise. Diese Mischung aus wachsender Dynamik und Komplexität bringt einige Herausforderungen mit sich und wird als «Dynaxity» oder «Dynaxität» bezeichnet (Kaiser & Ringsletter 2010).

Definition

Der Begriff «Dynaxität» erklärt also das Zusammentreffen von Komplexität und Dynamik und wird vor allem verwendet, um die Mechanismen der sich ständig verändernden Arbeitswelt eingängig zu erklären (Kastner 2017). Eine treibende Kraft der aktuellen Veränderungen ist die digitale Transformation, welche unter anderem mit steigender Individualität, Flexibilität und Mobilität einhergeht.

Von statisch zu chaotisch – die 4 Zonen

Um die Auswirkungen der Dynaxität im Arbeitskontext besser zu veranschaulichen, wird in der Fachliteratur häufig eine Einteilung in 4 Zonen vorgenommen: die statische Zone, die dynamische Zone, die turbulente Zone und die chaotische Zone (Abb.1). Jede Zone ist mit gewissen Herausforderungen und Kompetenzen für Unternehmer, Führungskräfte sowie Mitarbeitende gekoppelt und besteht aus einer Dynamik- und einer Komplexitätsachse. Mit den aufsteigenden Zonen nimmt jeweils auch die Dynaxität zu.

  • Zone 1 (statisch): Die statische Zone beschreibt Zustände, in welchen einfache, feste Regeln und gleichbleibende Strukturen gegeben sind. In dieser Zone sind die Dynamik und die Komplexität tief, deshalb wird hier noch nicht von Dynaxität gesprochen.
  • Zone 2 (dynamisch): Auf dieser Ebene spielen Wachstum und laufende Veränderungen eine zentrale Rolle. Trotzdem werden die Prozesse und Strukturen häufig noch einheitlich gehalten. Für Personen in einem «dynamischen» Arbeitsumfeld bedeutet dies eine hohe Steuerbarkeit der Zustände, dafür aber wenig Spielräume für eigene Ideen und Bedürfnisse.
  • Zone 3 (turbulent): Einheitliche Prozesse und fixe Strukturen wirken auf dieser Ebene der Dynaxität meistens nicht mehr zielführend. Personen, welche sich in einem «turbulenten» Arbeitskontext befinden, sind gefordert mitzugestalten und Selbstorganisation wird zu einer wichtigen Kompetenz. Auch eine gelungene Zusammenarbeit steht in dieser Zone im Fokus, deshalb spielen Kooperation und Vertrauen hier eine wichtige Rolle.
  • Zone 4 (chaotisch): Diese Zone beinhaltet eine Komplexität, die zu «chaotischen» Zuständen führt und weit über den aktuellen menschlichen Fähigkeiten liegt. Wie und ob so eine Struktur in Zukunft überhaupt gelebt werden kann, ist noch ungeklärt.

Die Herausforderungen der beschriebenen Zonen können Vor- und Nachteile für betroffene Personen haben. Die Zone 3 z.B. bietet weniger Kontrollmöglichkeiten und Sicherheit. Demgegenüber steht aber die Möglichkeit zur Flexibilität und zum ganzheitlichen Denken (z.B .durch agile Netzwerk- organisationen). Um mit der steigenden Dynaxität umgehen zu können sollten vorhandene Arbeitsstrukturen (z.B. Prozess- und Netzdenken) angepasst werden. Dafür ist ein passendes Mindset von Seiten der Unternehmensführung sowie auch der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter nötig (Mühlwisch, 2017).

Das passende Mindset

Mit konventionellem Denken lassen sich meistens keine neuen Strukturen gestalten. Deshalb ist es wichtig, das menschliche Gehirn dazu zu bringen, aus den gewohnten Automatismen auszusteigen. Denn um trotz steigender Dynaxität wirksam zu bleiben, braucht es ein neues Mindset, dass sich vor allem durch Kooperation und Ganzheitlichkeit auszeichnet.

Umdenken dank Agilität

Wenn wir beispielsweise mit einem agilen Mindset unterwegs sind, stellen wir uns bewusst neuen Situationen sowie Erfahrungen, so können sich Geist und Gehirn laufend an den jeweiligen Kontext anpassen. Immer wieder müssen wir so neu entscheiden, was wichtig, richtig und vor allem zielführend ist. Deshalb kann Agilität uns helfen, unsere gewohnten Bewegungsmuster zu aktualisieren. Zudem kann uns Agilität dabei unterstützen, verschiedene Sichtweisen einzunehmen und so auf Basis eines Gesamtbilds zu entscheiden und zu handeln (Küster, 2020). Ein agiles Mindset wird der Dynxität Zone 3 (turbulent) zugeordnet. Zudem können die Prinzipien der Agilität als eines der wichtigsten Werkzeuge für den Umgang mit den Herausforderungen der steigenden Komplexität und Dynamik herangezogen werden. Es stellt sich nun aber die Frage, wie das agiles Mindset im Arbeitskontext konkret unterstützt werden kann (projektmagazin, 2020)?

Nur als Team kann man gewinnen

Die Differenz welche sich aus der zunehmender Dynaxität und unseren Kompetenzen (z.B. Agilität und Problemlösefähigkeiten) ergibt, erfordert wie bereits erwähnt ein «neues» Denken. Da die Herausforderungen meistens mehrere Strukturen betreffen, ist es wichtig, sich nicht nur auf die Entwicklung einzelner Individuen zu fokussieren, sondern auf ganze Systeme. Ein Umdenken kann nur gelingen, wenn Führungskräfte, Mitarbeiter und Organisationen neue Formen des Führens und der Zusammenarbeit entwickeln. Denn man gewinnt, wie man weiss, selten allein. Management sollte daher immer ein Teamspiel sein - dieser generelle Zusammenhang wird in Welten steigender Dynaxität nur nochmals deutlicher (Rau & Trauth, 2000).

 

Praxistipp für Begleitungsprozesse

Was bringt mir dieses Wissen in der Praxis?

Die Herausforderungen der Dynaxität verändern auch die Anforderungen an uns als Begleitungspersonen. Denn wenn sich Werte und Einstellungen in der Arbeitswelt verändern, wandeln sich auch die aktuellen Themen und Bedürfnisse unserer Kundinnen und Kunden. Durch die steigende Dynaxität erweitern sich die Optionen in nahezu allen Lebensbereichen und es verschwimmen Orientierungslinien sowie die Gestaltungsmöglichkeiten jedes Einzelnen. Viele Arbeitnehmende, Führungskräfte und Selbständige kommen dadurch an die Grenzen ihrer Selbstorganisations- Fähigkeiten. Um mit diesen Veränderungen umgehen zu können, stellt ein wirkungsvolles Coaching eine grosse Hilfe dar. Als Begleitungspersonen können wir die Selbstreflexion, das agile Denken und Verhalten sowie auch das Vertrauen untereinander fördern. Ein Coaching-Tool, dass sich für den Umgang mit der steigenden Dynaxität eignet, ist das Arbeiten mit dem inneren Team. Dieses Werkzeug macht es möglich, unsere Kundinnen und Kunden dabei zu unterstützen innere Konflikte zu erkennen und stimmige Lösungen zu erarbeiten. In dem die eigenen Wünsche und Bedürfnisse ins Zentrum gestellt werden, können Sinn und Kohärenz des eigenen Handelns wieder hergestellt werden. Durch das Ankurbeln der Selbstreflexion kann zusätzlich das ganzheitliche Denken und die Kooperation im Arbeitsalltag gefördert werden. Alles in Allem können wir als Begleitungspersonen unsere Kundinnen und Kunden dabei unterstützen, trotz steigender Dynaxität, beruflich als auch privat handlungsfähig zu bleiben.

 

Quellenangaben 

Henning, K. & Borowski, E. (2014). Managementkybernetik und Umgang mit Unsicherheiten. In: Enterprise-Integration. S.45-62. Berlin Heidelberg: Springer.

Kaiser, S. & Ringlstetter, M. J. (2010). Work-Life Balance: Erfolg- versprechende Konzepte und Instrumente für Extremjobber. Berlin Heidelberg: Springer.

Kastner, M. (2017). Dynaxität – Die schnelle und komplexe neue Welt der Führungskräfte. In: Führungskompetenzen lernen: Eignung, Entwicklung, Aufstieg, S. 23-43.

Küster, H. (2020). Leadership Agility – Coaching für Agile Führung. Coaching & Mentoring Forum 04.09.2020. Olten: Coachingzentrum Olten.

Maehrlein, K. (2020). Achtsamkeit – Wunderdünger für das agile Mindset. Online. www.projektmagazin.de/artikel/achtsamkeit-agilitaet (abgerufen am 16.06.2021).

Mühlwisch, D. (2017). Anwendung des OSTO-Modells am Beispiel eines zu gründenden Unternehmens für den Vertrieb von Leichtbaggern. Graz: Hochschule Mittweida.

Rau, H. R. & Trauth, F. (2000). Business as unusual: Coaching in Echtzeit. Organisationsberatung, Supervision. In: clinical management, 7(1), S. 9-32.

 

 

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