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Coaching – wie wirkt es und warum?

Lesedauer: ca. 7 Minuten

Coaching hat sich in den letzten Jahren zu einer gefragten Begleitungsform entwickelt – sowohl bei Einzelpersonen als auch bei Unternehmen. Die moderne VUCA-Welt mit ihren Herausforderungen und dem damit einhergehenden Wertewandel in der Gesellschaft ergeben ein Framework, indem sich Menschen weiterentwickeln wollen, weiterentwickeln müssen. Coaching wird dafür immer häufiger in Anspruch genommen, dabei wird man als Begleitungsperson immer wieder mit der Frage der Wirksamkeit konfrontiert. Was sind Einfluss- und Wirkfaktoren, was meint die aktuelle Coachingforschung und wie siehts in der Praxis aus? 

Von Sonja Kupferschmid Boxler & Pascal Dimitri Ruchti 

Es gibt viele verschiedene Personengruppen, die sich für ein Coaching interessieren. Dies kann ein Unternehmen sein, das einer Arbeitskraft im Umgang mit einer schwierigen Teamsituation unterstützen möchte, eine junge Führungsperson, deren Wunsch es ist, Beruf und Familie in Einklang zu bringen oder auch eine Privatperson im mittleren Erwachsenenalter, die sich nach einer beruflichen Änderung sehnt. Die Zielgruppe, die sich mit einem Coaching begleiten und unterstützen lassen möchte, ist breit und deren Motive mannigfaltig. Diese Ausgangslage macht jeden einzelnen Begleitungsprozess einzigartig und vielseitig unterschiedlich zu vorherigen oder kommenden. 

Die Frage nach der Wirksamkeit 

Ein Ziel, ein Anliegen oder auch ein Veränderungswunsch des Gegenübers kann noch so individuell und unterschiedlich sein – was (fast) alle mitbringen, ist die Frage, wie und warum Coaching wirkt. Ein Coaching bedeutet für Kundinnen und Kunden eine Investition in Energie, Zeit und Geld, wodurch die Frage nach der Wirksamkeit durchaus berechtigt ist. Grund genug, weshalb sich auch Coaches mit der Effektivität ihres Hauptwerkzeugs auseinandersetzen und sich fragen sollten, unter welchen Bedingungen ein Coaching wirksam ist, was dabei die Faktoren sind und was die Forschung aktuell dazu berichtet. 

Das sagt die Coachingforschung 

Der gegenwärtige «Coaching-Boom» lässt sich leider nur begrenzt auf die Wirksamkeitsforschung übertragen. Die Wissenschaft rund um Coaching ist noch jung und wird von den meisten Übersichtsarbeiten nach wie vor als «an den Anfängen stehend» und «methodisch zu wenig ausgereift» beschrieben. Der Grund dafür ist logisch: Wirksamkeitsstudien sind langwierige Unterfangen. Viele dieser Urteile kommen daher aufgrund der kleinen und somit wenig repräsentativen Stichproben zustande, auf welche sich wissenschaftliche Untersuchungen stützen. Gleichzeitig zeigt sich, dass der Anteil an qualitativen Befragungen überwiegt, obschon die Effektivität hauptsächlich durch quantitative, also statistische Studien nachgewiesen werden kann. Das wissenschaftliche Fundament spielt für ein wirksames Coaching eine Schlüsselrolle, denn die meisten etablierten Coachingtools und Interventionsarten stammen aus der psychologischen und neurobiologischen Persönlichkeitsforschung sowie aus psychotherapeutischen Wissensgrundlagen und lehnen sich diesen an. Diese Forschungszweige sind im Vergleich zur Coachingforschung wesentlich länger und detaillierter untersucht und bieten für die positive Wirkung fundierten Coachings eine stabile Grundlage. Nichtsdestotrotz hat die spezifische Coachingforschung in den letzten Jahren beachtliche Fortschritte gemacht. So ist mittlerweile unumstritten klar, dass sich Coachings, welche wissenschaftlich fundiert und in entsprechenden Settings durchgeführt werden, allerlei positive Wirkungen zeigen.

Positive Effekte vom Coaching 

Die Effektivität vom Coaching konnte in diversen wissenschaftlichen Studien nachgewiesen werden. Die nach wie vor meistzitierte Metaanalyse von Theeboom, Beersma und van Vianen (2013), welche die Wirksamkeit vom Coaching innerhalb des betrieblichen Kontexts anhand von 18 Einzelstudien untersuchte - und auch heute noch nicht an Aktualität einbüsst - weist darauf hin, dass Coaching einen positiven Effekt auf die Leistung, das Wohlbefinden, das Bewältigungsverhalten, die Arbeitshaltung und die zielgerichtete Selbstregulation hat. Eine aktuelle Studie von Ebermann (2019) bestätigt diese Erkenntnisse aufs Neue. Daraus lässt sich schliessen, dass Coaching im Rahmen einer Organisation zur individuellen Förderung beiträgt und damit ein wirksames Tool darstellt. 
Kotte, Hinn, Oellerich und Möller (2016) betonen in ihrer Untersuchung, dass die Wirksamkeit des Coachings vom jeweiligen Coachingprozess abhängt. Damit eröffnet sich die Frage, welche Faktoren es braucht, damit ein Coaching nachhaltig gelingt. 

Einfluss- und Wirkfaktoren für den Coachingerfolg  

Einer der ausschlaggebendsten Faktoren, der zu einem erfolgreichen Coachingprozess beiträgt, ist die Beziehungsqualität zwischen der Begleitungsperson und der Kundin bzw. des Kunden. Eine Übersichtsarbeit von Sonesh et al. (2015) weist darauf hin, dass die Qualität der Beziehung einen signifikanten Einfluss auf die Zielerreichung der Kundin/des Kunden hat (z.B. Einstellungs- oder Verhaltensveränderungen sowie höhere Leistungen im Beruf und gesteigerte Motivation oder reduzierter Stress). Diese Erkenntnis wird gestützt von einer weltweiten Untersuchung von Haan, Grant, Burger und Eriksson (2016) zur Effektivität von Führungspersonen-Coachings. Die Autorenschaft kommt zur Erkenntnis, dass die Arbeitsbeziehung ein grundlegender Faktor ist. Je besser die Beziehung zwischen Begleitungsperson und Führungskraft ist, desto höher ist die Wahrscheinlichkeit für den Coachingerfolg. 

Eine gute Arbeitsbeziehung zeichnet sich dabei durch eine gemeinsam vereinbarte Zielsetzung, eine klare Auftragsklärung und gegenseitiges Vertrauen aus. Darüber hinaus deutet die Studie von Haan et al. (2016) darauf hin, dass neben der Beziehungsqualität auch die Selbstwirksamkeit ein zentraler Einflussfaktor ist. Die Ergebnisse zeigen, dass die wahrgenommene Beziehungsqualität den Zusammenhang zwischen Selbstwirksamkeit und der Effektivität des Coachings vermittelt. Das bedeutet, je mehr die Kundin/der Kunde an sich selbst und ihre/seine Fähigkeiten glaubt, umso besser ist die Beziehung und folglich auch das Coachingergebnis. 

Aus diesen Studienergebnissen lässt sich schlussfolgern, dass ein nachhaltiges und wirksames Coaching nicht nur von fundierten Tools und Methoden, sondern ebenso der Einstellung des Gegenübers und der Beziehungsgüte abhängt. Mit anderen Worten: Ist die Kundin/der Kunde davon überzeugt, dass ihr/ihm eine Veränderung gelingt (womit letztlich auch die Motivation steigt), so wirkt sich das positiv aus – sowohl auf die Beziehung als auch auf den Erfolg des Coachings. 

«Denken müssen wir ja sowieso. Warum dann nicht gleich positiv?» - Albert Einstein. 

Beide Seiten der Medaille

Diese Erkenntnisse liefern wertvolle Ansatzpunkte für die Coachingpraxis. Es lässt sich allerdings kein «Geheimrezept» für erfolgreiches Coaching ableiten. Dafür sind Wissenschaft und Praxis zu unterschiedlich, die einzelnen Begleitungen zu individuell. Der aktuelle Stand der Forschung dient Coaches als «Richtschnur» für ihre Coachingpraxis: So können die oben erwähnten Untersuchungsergebnisse beispielsweise helfen, allfällige Fragen bezüglich der Wirksamkeit zu klären, ein Vertrauen in die Methoden aufzubauen und somit gute Voraussetzungen für ein erfolgreiches Coaching zu schaffen (siehe Praxistipp). 

Die eigene Erfahrung zählt 

Die Coachingforschung gibt Hinweise darauf, wie und warum ein Coachingprozess wirksam und erfolgreich sein kann. Damit lässt sich die Frage der Wirksamkeit vorerst beantworten. Zukünftige Studien werden weitere Einflussfaktoren und Wirkmechanismen aufdecken. Was es letztlich aber braucht, um diese Erkenntnisse vollumfänglich zu verinnerlichen, ist die direkte Erfahrung in der Praxis. Dies bedeutet, selbst zu erleben, dass Coachings wirksam sind – genau das ist unser Purpose! 

Praxistipp für Coaches 

Im Hinblick auf den Coachingerfolg sind eine hohe Selbstwirksamkeit und eine gute Beziehung matchentscheidend. Ein paar Tipps für die Praxis: 

Wie fördere ich die Selbstwirksamkeit meiner Kundin/meines Kunden?

  • Fragen Sie nach persönlichen Erfolgen und stärken Sie dadurch die Kompetenzüberzeugung Ihres Gegenübers in Bezug auf zukünftige Herausforderungen. 
  • Schaffen Sie Zugang zu Ressourcen und aktivieren Sie diese. 
  • Machen Sie (Charakter-)Stärken sichtbar und fördern Sie sie bewusst. 

Wie stelle ich eine gute (Arbeits-)Beziehung sicher? 

  • Legen Sie Wert auf die Ziel- und Auftragsklärung in jeder einzelnen Sitzung. 
  • Bauen Sie Vertrauen auf und begegnen Sie Ihrem Gegenüber respektvoll.
  • Signalisieren Sie, dass Sie an dessen Fähigkeiten glauben. 
     

Die Autoren

Sonja Kupferschmid Boxler

Ist beim Coachingzentrum Olten in der Geschäftsführung tätig und hat sich beim Auf- und Ausbau des Weiterbildungsangebotes vertieft mit dem Thema Coaching auseinandergesetzt.
Durch ihre langjährigen praktischen Erfahrungen und umfangreiches Knowhow als Arbeits- und Organisationspsychologin, als Coach und Ausbildnerin sowie in der Produkteentwicklung verfügt sie über ausgewiesenes Expertenwissen in den Bereichen Coaching, betriebliches Mentoring, Resilienztraining und Supervision & Teamcoaching. 

Pascal Dimitri Ruchti 
Ist beim Coachingzentrum Olten als Mitarbeiter Produkteentwicklung tätig. Als BSc. Arbeits-, Organisations- und Personalpsychologie verfügt er über ein breites Grundlagewissen in den Bereichen Coaching, betriebliches Mentoring, Resilienz und Supervision & Teamcoaching.

 

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