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Mental Load
Know-how & Do-how for Coaches
Lesedauer: ca. 6 Minuten
Aktuelle Begriffe aus der Coachingwelt einfach und praxisnah erklärt.
Lerne in diesem Monat den Begriff «Mental Load» kennen – erfahre durch Sonja Kupferschmid, Geschäftsführung, was darunter zu verstehen ist und wie du dieses Wissen in deinen Praxisalltag als Begleitungsperson wirkungsvoll integrieren kannst.
Mental Load
Während der Arbeit denkt man noch an den Einkauf, der noch erledigt werden muss. Man macht sich eine mentale Notiz: «Champignons, Mais und Mehl», erinnert sich daran, dass die Spülmaschine ja noch geleert werden muss und rechnet schon mal aus, wann man mit dem Kochen beginnen muss, damit das Essen nicht zu spät auf den Tisch kommt. All diese kleinen Aufgaben und Gedanken schwirren ständig im Kopf herum, drängen sich in den Arbeitsalltag und rauben Energie. Dies nennt man «Mental Load». Diese Mental Load beschreibt die unsichtbare Belastung durch das ständige Planen, Organisieren und Erinnern von Aufgaben. Dieser unsichtbare Stress betrifft viele Menschen im Alltag und beeinflusst das Wohlbefinden und die Produktivität.
Was bedeutet Mental Load?
Neben den sichtbaren Aufgaben wie Kochen oder Einkaufen gibt es eine Vielzahl von unsichtbaren Anforderungen, die ständig im Hintergrund laufen. Mental Load beschreibt diese unsichtbare Belastung einer Person in einem gemeinsamen Haushalt oder in einer Familie, die durch das ständige Planen, Organisieren und Koordinieren von Aufgaben und Verantwortlichkeiten entsteht. Dabei geht es nicht nur um die Erledigung von Aufgaben, sondern um das Denken an alle Aufgaben, die erledigt werden müssen. Egal ob es um Hausarbeit, soziale Verpflichtungen oder administrative Kleinigkeiten geht – man muss stets im Auge behalten, was als nächstes zu tun ist und wer welche Verantwortung übernimmt. Mental Load bleibt oft unsichtbar und wird selten direkt angesprochen, was dazu führt, dass die Person, die diese Denkarbeit leistet, wenig Unterstützung oder Anerkennung vom Partner oder der Partnerin erhält. Für viele Menschen, die für das Management eines Haushalts oder die Organisation des Familienlebens verantwortlich sind, bedeutet dies, dass sie ständig einen grossen Teil ihrer mentalen Kapazität dafür aufwenden müssen, ihre Aufgaben im Kopf zu behalten. (Berger, 2022; Schrammel, 2022).
Die Auswirkungen der unsichtbaren Arbeit
Diese geistige Last wächst häufig unbemerkt, kann aber gravierende Auswirkungen auf das Wohlbefinden haben und aufgrund der ungleichen Verteilung langfristig zu Spannungen und Konflikten in Beziehungen führen. Es entstehen auch innere Rollenkonflikte, bei denen Beruf und Familie in Konkurrenz zueinander stehen. Es entstehen Schuldgefühle, nicht in beiden Bereichen 100% geben zu können (Schrammel, 2022). Mental Load hat auch Auswirkungen auf die Berufstätigkeit einer Person. Man hat durch die ständigen Denkprozesse weniger Energie für die Arbeit, die Leistung sinkt, man übernimmt weniger Verantwortung und hat so schlussendlich weniger Chancen im Unternehmen aufzusteigen (Schareika, 2021; Díaz-García et al., 2021).
Vereinbarkeit Beruf und Familie
Insbesondere wenn Kinder vorhanden sind, führt die Doppelbelastung bei Eltern zu verstärktem Mental Load. Der Mental Load ist dabei meist ungleich verteilt, wobei eine Person mehr davon übernimmt. Laut der aktuellen Forschung sind das im Moment bei heterosexuellen Paaren immer noch die Frauen (Schlosser, 2020). Doch auch Männer macht diese Belastung zusehends zu schaffen. Viel mehr Männer als früher berichten von der Doppelbelastung von Beruf und Familie. Einige Unternehmen, vor allem in der Technologiebranche, denken bereits darüber nach, wie sie Arbeitsplätze für Personen mit so einer Doppelbelastung attraktiver machen können. Damit soll dem Fachkräftemangel in dieser Branche entgegengewirkt werden. Zu diesen Überlegungen gehört auch, sich Gedanken darüber zu machen, ob der Kopf frei ist, um die Arbeit gut machen zu können (Schareika, 2021).
Bewusstsein schaffen und aktiv gegensteuern
Um den Mental Load gerecht zu verteilen oder zu verringern, können betroffene Personen, aber auch Unternehmen aktiv gegensteuern. Auf Seiten der Unternehmen gibt es folgende Vorschläge (Schareika, 2021):
- Aufgaben Auslagern
- Kinderbetreuung im Betrieb
- Mittagstisch für Kinder im Betrieb
- Wäscheservice
- Schulungen
- Mitarbeitende über «Mental Load» informieren
- Strategien zum Umgang mit «Mental Load» vermitteln
- Mythos aufräumen: Eine willensstarke Frau schafft Karriere und Familie
- Flexible Modelle anbieten
- Teilzeit
- Führungstandem
- Vertrauensarbeitszeit
- Zeitkonten
Auf Seiten des Individuums können folgende Schritte unternommen werden, um den Mental Load einer Person zu reduzieren (Cammarata, o. D.) :
- Schritt: Sichtbar machen
- Jeder schreibt für sich die Prozent an Aufgaben, die er/sie seiner/ihrer Meinung nach erledigt.
- Liste mit typischen Alltagsaufgaben erstellen
- Schritt: Bemessen
- Hinter die Liste schreiben, wer an die Aufgabe denkt, wer sie umsetzt, wie oft sie gemacht werden muss und wie lange es ungefähr dauert.
- Zusammenrechnen, wie viele Stunden pro Woche pro Person anfallen
- Ausgerechnete Werte vergleichen mit der Selbsteinschätzung von Schritt 1
- Wenn jemand mit der Verteilung nicht zufrieden ist, dann geht es weiter mit Schritt 3
- Schritt: Regelmässig planen
- 1x pro Woche Zeit nehmen, um anfallende Aufgaben zu verteilen
- Eine Person übernimmt den ganzen Prozess der Aufgabe nicht nur z.B. das Ausführen
- Schritt: Langfristig überprüfen
- Nach einiger Zeit reflektieren, was gut geklappt hat und was besser werden sollte
- Evtl. Aufgaben umverteilen
- Neu hinzugekommene Aufgaben verteilen
- Evtl. Aufgaben streichen
Durch diese Schritte wird neben der gerechten Aufteilung der Mental Load auch eine höhere Transparenz erreicht, was im Alltag geleistet wird und erhöht somit auch Wertschätzung und Verständnis.
Praxistipp für Begleitungsprozesse
Was bringt mir dieses Wissen in der Praxis?
In der Coaching-Praxis sollte man im Hinterkopf behalten, dass Mental Load existiert und auch ein Thema in einem Coaching sein kann. Wenn der Verdacht auftaucht, können Mental Load-Tests durchgeführt werden. Ein Beispiel ist hier verlinkt. Coaches können nun dabei helfen, das Bewusstsein für die Mental Load zu schärfen und erarbeiten gemeinsam mit den Klientinnen und Klienten Strategien, um den Mental Load zu reduzieren. Hierbei geht es vor allem darum, festzustellen, welche Aufgaben belastend sind und wie diese auf andere verteilt oder effektiver organisiert werden können.
Ein zentraler Ansatz im Coaching ist es, Methoden zur Stressbewältigung und Achtsamkeit zu vermitteln. Techniken wie das Priorisieren von Aufgaben, das bewusste Setzen von Grenzen und das Erlernen, auch einmal „Nein“ zu sagen, sind wertvolle Werkzeuge, um den Mental Load zu reduzieren. Zudem wird im Coaching oft die Kommunikation innerhalb der Familie oder Partnerschaft gefördert, um die Unsichtbarkeit des Mental Load aufzulösen und Aufgaben klar zu verteilen. Durch diesen Prozess können Klientinnen und Klienten lernen, Mental Load loszulassen und es wird wieder mentale Kapazität frei, um sich auf die Aufgaben im Beruf zu konzentrieren oder sogar mehr Verantwortung zu übernehmen.
Quellenangaben
Berger, N. (2022, 14. Dezember). Die Arbeit, die Männer nicht sehen. Beobachter. https://www.beobachter.ch/gesundheit/psychologie/mental-load-die-mentale-last-standig-an-alles-zu-denken-und-warum-das-vor-allem-frauen-belastet-554483
Cammarata, P. (o. D.). Was ist Mental Load? Bundesverband Equal Care. https://equalcareday.org/was-ist-mental-load/
Díaz-García, J., González-Ponce, I., Ponce-Bordón, J. C., López-Gajardo, M. Á., Ramírez-Bravo, I., Rubio-Morales, A., & García-Calvo, T. (2021). Mental load and fatigue assessment instruments: A systematic review. International journal of environmental research and public health, 19(1), 419. https://doi.org/10.3390/ijerph19010419
Schareika, N. (2021, 23. März). Acht Tipps gegen den Karrierekiller Mental Load. WirtschaftsWoche. https://www.wiwo.de/erfolg/management/lasten-abnehmen-und-sich-verbuenden-acht-tipps-gegen-den-karrierekiller-mental-load/25984576.html
Schlosser, S. (2020, 02. März). Wie gerechte Arbeitsteilung in der Familie gelingen kann. Deutschland Kultur. https://www.deutschlandfunkkultur.de/mental-load-wie-gerechte-arbeitsteilung-in-der-familie-100.html
Schrammel, B. (2022). Mental-Load. Ein psychodramatischer Blick auf die ungleiche Verteilung der Care-Arbeit. Zeitschrift für Psychodrama und Soziometrie 21, 369–379 (2022). https://doi.org/10.1007/s11620-022-00690-9
[astart]
{Was ist Mental Load und warum ist es wichtig, darüber Bescheid zu wissen?}
Mental Load beschreibt die unsichtbare Belastung, die durch das ständige Planen, Organisieren und Koordinieren von Aufgaben entsteht. Diese mentale Last betrifft Menschen in ihrem privaten und beruflichen Alltag und kann zu Erschöpfung und Stress führen, da sie viele Energie bindet und das Wohlbefinden beeinträchtigen kann.
{Wie wirkt sich Mental Load auf die berufliche Leistung aus?}
Menschen, die einen hohen Mental Load erleben, haben oft weniger Energie für berufliche Aufgaben. Dies kann die Leistung verringern, dazu führen, dass weniger Verantwortung übernommen wird, und Chancen auf beruflichen Aufstieg reduzieren, weil die mentale Kapazität bereits anderweitig stark beansprucht wird.
{Welche Schritte kann man unternehmen, um den Mental Load zu verringern?}
Mental Load kann verringert werden, indem Aufgaben sichtbar gemacht und fair verteilt werden. Es hilft, regelmässig zu planen, Verantwortung klar aufzuteilen und regelmässig zu überprüfen, ob die Last gerecht verteilt ist. Auch Techniken zur Stressbewältigung, wie das Priorisieren von Aufgaben und das Setzen von Grenzen, sind hilfreich.
{Warum ist Mental Load oft ungleich verteilt und was sind die Folgen?}
Mental Load bleibt oft unsichtbar und wird selten direkt angesprochen. Traditionell übernehmen Frauen in heterosexuellen Partnerschaften häufiger diese Denkarbeit, was zu einer ungleichen Belastung führt. Diese Ungleichverteilung kann langfristig Spannungen und Konflikte in Beziehungen verursachen und innere Rollenkonflikte erzeugen.
{Wie kann das Thema Mental Load im Coaching thematisiert werden?}
Im Coaching kann Mental Load angesprochen werden, indem Coaches gemeinsam mit Klienten Strategien entwickeln, um die Last zu verringern. Dazu gehören Aufgabenverteilung, das Sichtbarmachen unsichtbarer Arbeit und die Förderung einer besseren Kommunikation innerhalb der Familie oder Partnerschaft, um langfristig eine Balance zu finden.