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Resilienztraining

Achtsam zu mehr Widerstandskraft


Resilienz – ein Begriff, der immer mehr ins Rampenlicht rückt. ResilienztrainerInnen, die wissen, wie der Umgang mit den vielfältigen Herausforderungen im schnelllebigen Alltag gelingt, sind heute gefragter denn je. Aus gutem Grund: Resilienz ist trainierbar und mit physischer und psychischer Gesundheit verbunden. Eine Möglichkeit, um widerstandsfähiger zu werden, ist, eine achtsame Haltung zu entwickeln.

Von Sonja Kupferschmid Boxler und Stefanie Philipp, Coachingzentrum Olten GbmH, erschienen in punktum, Mai 2021 
 

Manche Menschen scheinen es einfach zu können: Sie bewältigendie verschiedensten Herausforderungen des Alltags erfolgreich – und das scheinbar spielend. Weder wirken sie erschöpft, noch scheinen sie Schaden zu nehmen. Ganz im Gegenteil: Sie können auch ungünstigen Bedingungen wie Termindruck im Job, privaten Konflikten und bitteren Niederlagen widerstehen. So wie ein Grashalm, der sich im Wind biegt und wieder in seine ursprüngliche Form zurückfindet. 

Eine Erklärung dafür, dass die einen widerstandsfähiger sind als andere, liefert das Konzept der Resilienz. Resilienz, oft auch als Immunsystem der Seele bezeichnet, beschreibt die Fähigkeit, Herausforderungen erfolgreich zu bewältigen und zugleich gestärkt aus ihnen hervorzugehen. Das heisst, resilienten Menschen gelingt es, sich von Umbrüchen, Krisen oder Rückschlägen nicht aus der Balance bringen zu lassen, sondern positiv auf sie zu reagieren und an ihnen zu wachsen. 

Die gute Nachricht: Resilienz ist kein statisches Konstrukt, sondern als dynamischer Prozess des erfolgreichen Umgangs mit Herausforderungen zu verstehen – ein Bewältigungsverhalten, das trainierbar ist und von ResilienztrainerInnen gefördert werden kann.

 

Ein ressourcenorientiertes Resilienzmodell

CZO ResilienzmodellDer Resilienzprozess kann als Entwicklungsprozess betrachtet werden, der sich in verschiedene Komponenten zerlegen lässt (siehe Abbildung). Ein als herausfordernd empfundener Impuls, zum Beispiel Belastung am Arbeitsplatz, ein familiärer Konflikt oder ein persönlicher Verlust, stösst den Prozess an. Je nachdem, wie der Umgang mit dieser Herausforderung gelingt, gehen wir gestärkt oder geschwächt aus der Situation heraus (positives vs. negatives Entwicklungsergebnis). Neben Risiko- und Schutzfaktoren wie sozialen Erlebnissen aus der Kindheit, die wir in unserem Rucksack mit uns tragen, haben die zur Verfügung stehenden Ressourcen eine zentrale, kraftschöpfende Funktion. 

Ressourcen sind entweder in uns selbst oder in unserem Umfeld zu finden. Gemäss Wustmann (2004) können fünf Arten von Ressourcen unterschieden werden: 

  • Kognitive Ressourcen, die zur Bewältigung von Aufgaben und Zielen eingesetzt werden: Aufmerksamkeit, Merkfähigkeit, Wissen, Lernen und Erinnern usw. 
  • Emotionale Ressourcen, die helfen, Emotionen wahrzunehmen, auszudrücken und zu regulieren: Gefühlswahrnehmung, Empathie, Emotionskontrolle usw. 
  • Körperliche Ressourcen, die auf körperlicher Ebene angesiedelt sind: Körpergefühl, Bewegungs- und Ernährungsverhalten, Energiemanagement usw.
  • Soziale Ressourcen, die sich auf das soziale Umfeld beziehen: soziale Kontakte, gegenseitige Unterstützung, Zugehörigkeit usw. 
  • Motivationale Ressourcen, die uns motivieren und unserem Tun einen Sinn geben: Motive, Werte, Visionen usw. 

Die alleinige Verfügbarkeit dieser Ressourcen reicht allerdings nicht aus. Der wahre Schatz liegt in der Zugänglichkeit: Eine resiliente Person kennt ihr persönliches Ressourcenrad und weiss, in welchen Situationen sie diese wie abrufen und einsetzen kann (siehe ganz am Schluss «Übung: Ressourcenrad»).

Es gibt kein Patentrezept zur Entwicklung von Resilienz. Resilienz ist äusserst individuell. Was für eine Person eine hilfreiche Ressource darstellt, kann für eine andere Person völlig unpassend sein. Wichtig ist, dass beide lernen, in herausfordernden Situationen auf sich und ihre Bedürfnisse zu hören und entsprechend zu handeln.

 

Emotionen souverän regulieren – dank Achtsamkeit 

Ein im Alltag gut umsetzbarer Ansatzpunkt, um Bedürfnisse wahrzunehmen und Resilienz zu stärken, sind die emotionalen Ressourcen. Dass Körper, Gedanken und Gefühle miteinander in Wechselwirkung stehen, ist längst kein Geheimnis mehr – gerade im Umgang mit Herausforderungen sind Emotionen ein wichtiges Steuerelement. 

Die Emotionsregulation, also das Wahrnehmen eigener und fremder Gefühle sowie das Steuern von Emotionen, kann durch Achtsamkeit gefördert werden. Mit einfachen Achtsamkeitsübungen können wir das bewusste Sein und Erleben im Hier und Jetzt trainieren und so in Kontakt mit uns selbst bleiben, um in herausfordernden Situationen von unseren emotionalen Ressourcen Gebrauch zu machen. Konkret hilft uns eine achtsame Lebenshaltung, plötzliche Anspannungen zu lösen, die Situation zu erkennen, zu beobachten und wahrzunehmen, Gegebenheiten zu akzeptieren, Auswirkungen in uns – Körper, Gedanken und Gefühle – zu erforschen und mit den resultierenden Emotionen achtsam umzugehen (Berking 2010). 

Gelingt es uns, uns in hektischen Zeiten bewusst einen Moment zurückzunehmen und die Lage aus der Sicht eines «inneren Beobachters» zu betrachten, so können wir bewusster reagieren und Emotionen in eine lebendige Kraft umwandeln. 

 

Achtsamkeit und Resilienz – das sagt die Forschung 

Der aktuelle Stand der Forschung spricht dafür, dass wir mit einer achtsamen Lebensweise unsere Widerstandsfähigkeit stärken können. Neben Metaanalysen, welche die Wirksamkeit achtsamkeitsbasierter Interventionen belegen (z.B. Joyce et al. 2018), weisen einige Studien darauf hin, dass sich Resilienz durch Achtsamkeit trainieren lässt: Eine aktuelle Studie von Denkova et al. (2020), die sich mit der Trainierbarkeit von Resilienz auseinandersetzt, zeigt, dass Achtsamkeitstraining die psychische Belastbarkeit signifikant erhöht. Auch Jingjing et al. (2020) konnten nachweisen, dass Meditieren zu mehr Achtsamkeit, innerer Ruhe und Resilienz führt. 

Darüber hinaus zeigt sich: Es lohnt sich – unabhängig davon, welche Ressource im Fokus steht –, Resilienz zu trainieren. Auch wenn sie nicht voll und ganz vor Krisen schützt, weisen diverse Studien darauf hin, dass resiliente Menschen physisch und psychisch gesünder sowie emotional stabiler sind (z.B. Färber & Rosendahl 2018; Fichte 2017). 

 

Das Tätigkeitsfeld von ResilienztrainerInnen 

Fachpersonen, die ein fundiertes Know-how rund um den Umgang mit Herausforderung besitzen und Menschen in diesem Entwicklungsprozess begleiten, werden als ResilienztrainerInnen bezeichnet. 

Grundsätzlich unterstützt eine Resilienztrainerin, ein Resilienztrainer Einzelpersonen, Teams oder auch Organisationen dabei, eine innere Widerstandsfähigkeit zu entwickeln. Durch massgeschneiderte Trainings mit theoretischen Impulsen, Instrumenten zur Standortbestimmung und resilienzfördernden Tools und Methoden stärken sie ihr Gegenüber darin, Herausforderungen auf gesunde Art und Weise zu begegnen. Drei zentrale Elemente dieses Tätigkeitsfeldes werden nachfolgend erläutert. 

  1. Unterstützende Grundhaltung schaffen: Resilienz hat viel mit Haltung zu tun. Eine unterstützende Grundhaltung zeichnet sich dadurch aus, dass sie einen im Hinblick auf den Resilienzprozess «stützt». Aus diesem Grund regen ResilienztrainerInnen ihr Gegenüber dazu an, ressourcenorientiert zu denken, sich auf Lösungen zu fokussieren sowie sich und andere wertzuschätzen. Dies wiederum hilft, Dinge so zu nehmen, wie sie sind, und das Beste daraus zu machen. 
     
  2. Ressourcen entdecken, aufbauen und aktivieren: Ob sich eine Herausforderung erfolgreich bewältigen lässt, hängt zu einem Grossteil vom Zugang zu Ressourcen ab. Der Schlüssel dafür ist die Ressourcenaktivierung. ResilienztrainerInnen suchen mit ihrem Gegenüber persönliche Ressourcen (etwa Dankbarkeit, Kreativität), die gestärkt werden können, bauen gezielt neue Ressourcen auf und erarbeiten individuelle Strategien, um diese zu aktivieren. Ziel ist es, im täglichen Leben (selbst)verantwortungsvoll handeln zu können. 
     
  3. Üben und trainieren: Um dieses Ziel zu erreichen, ist Ausprobieren das A und O. Sei es das Praktizieren von Achtsamkeit oder das Kultivieren positiver Emotionen: Wie bei allen Fähigkeiten macht auch hier Übung den Meister. Deshalb bieten ResilienztrainerInnen ihrem Gegenüber Möglichkeiten zum Ausprobieren, Üben und Experimentieren und legen gemeinsam Trainingssituationen im Alltag fest. Um den Transfer in die Praxis sicherzustellen, werden auch allfällige Hindernisse beleuchtet und Tipps und Tricks im Umgang damit thematisiert. 

 

Einsatzbereiche und Kompetenzen 

ResilienztrainerInnen werden häufig von Organisationen beauftragt, Trainingsprogramme zur Gesundheitsförderung und Stress-/Burnout- Prävention zu gestalten, zum Beispiel im Rahmen des betrieblichen Gesundheitsmanagements. Darüber hinaus unterstützen sie Einzelpersonen im Umgang mit konkreten Herausforderungen, stärken Gruppen oder Teams in ihrer Widerstandsfähigkeit oder begleiten Unternehmen während der agilen Transformation. 

Ausgebildete ResilienztrainerInnen bringen ein fundiertes Fachwissen und einen Rucksack mit wertvollen Tools zur Resilienzförderung mit. Zudem kennen sie ihre eigenen Ressourcentankstellen, haben eine achtsame Haltung und sind als Vorbild selbst resilient unterwegs. 


Blick zurück und nach vorne 

Das Leben besteht aus Veränderungen, und ein Blick auf die letzten Monate zeigt: Vieles wird immer unvorhersehbar bleiben. Herausforderungen kommen und gehen, sie lassen sich weder wegzaubern noch steuern. Was wir einzig beeinflussen können, ist der Umgang mit ihnen. 

 


Übung: Ressourcenrad

Schritt 1: Ressourcenrad erstellen
Gestalten Sie Ihr persönliches Ressourcenrad, indem Sie die fünf Ressourcenarten in einem Netzdiagramm mit je einer Skala von 1 bis 10 darstellen und sich so die Ausprägung Ihrer Ressourcen vor Augen führen.

  • Wie sind Ihre Ressourcen ausgeprägt (Ist)?
  • Welche Ausprägung wünschen Sie sich (Soll)?
  • Wo stimmen die Ist- und Soll-Werte überein? Wo gibt es Differenzen?

Schritt 2: Ressourcen definieren
Bestimmen Sie nun eine Ressource, die Sie genauer unter die Lupe nehmen möchten, und definieren Sie diese.

  • Was verstehen Sie unter der Ressource X? Was macht sie aus?
  • In welchen Situationen/Kontexten ist diese für Sie von Bedeutung?

Schritt 3: Ressourcen entwickeln
Reflektieren Sie, wie Sie die gewählte Ressource (weiter)entwickeln können.

  • Was braucht es, damit Sie bei der Ressource X Ihren Soll-Wert erreichen?
  • Was sind Ihre nächsten Schritte?
  • Wer oder was kann Sie dabei unterstützen?

 

Artikel zum Downloaden

 


 

Literatur 

Berking, M. (2010): Training emotionaler Kompetenzen. Heidelberg: Springer Verlag. 

Denkova, E., Zanesco, A.P., Rogers, S.L., & Amishi P.J. (2020): Is resilience trainable? An initial study comparing mindfulness and relaxation training in firefighters. In: Psychiatry Research, 285: 1–8. 

Färber, F., & Rosendahl, J. (2018): The Association Between Resilience and Mental Health in the Somatically Ill. Deutsches Ärzteblatt International, 115(38): 621–627. 

Fichte, J. (2017): Resilienz und emotionale Stabilität von Managern. Wiesbaden: Springer Verlag. 

Jingjing, G., Jingjing, Y., Guangyu, J., & Yong, Z. (2020): Dispositional Mindfulness and Past-Negative Time Perspective: The Differential Mediation Effects of Resilience and Inner Peace in Meditators and Non-Meditators. In: Psychology Research and Behavior Management, 13: 397–405. 

Joyce, S., Shand, F., Tighe, J., Laurent, S.J., Bryant, B.A., & Harvey, S.B. (2018): Road to resilience: a systematic review and meta-analysis of resilience training programmes and interventions. In: BMJ Open, 8: 1–9. 

Kumpfer, K.L. (1999): Factors and processes contributing to resilience: The resilience framework, in: M.D. Glantz & J.L. Johnson (Hrsg.), Resilience and development: Positive life adaptation (S. 179-224). New York: Kluwer Academic/ Plenum Publisher. 

Wustmann, C. (2004): Resilienz. Widerstandsfähigkeit von Kindern in Tageseinrichtungen fördern. Weinheim: Beltz Verlag.

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