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Skillset für die Arbeitswelt 4.0

Die VUCA-Welt stellt uns Menschen immer wieder vor Veränderungen und fordert unsere Flexibilität jeden Tag aufs Neue heraus. Dabei ist die innere Widerstandskraft eine Grundvoraussetzung, um auch in diesen stürmischen Zeiten die Orientierung zu behalten. Angefangen bei einer unterstützenden Grundhaltung, fördert eine professionelle Begleitungsarbeit das selbstorganisierte Denken und Handeln und legt so ein zentrales Fundament, um resilient und optimistisch in Richtung Zukunft zu schauen.

Von Sonja Kupferschmid Boxler

Heute noch so, morgen schon anders und übermorgen – wer weiss? Unsicherheiten sind in der heutigen Arbeitswelt weitverbreitet, ob in Führungspositionen oder auf Ebene der Mitarbeitenden. Diese Zeiten sind einerseits herausfordernd, bieten andererseits aber auch viele Vorteile: Sie fördern Agilität sowie Kreativität, wichtige Bestandteile eines zukunftsfähigen Skillsets, und beschleunigen einen überfälligen Wechselprozess. Die VUCA-Welt stellt einige festhockende Verhaltensweisen ins Rampenlicht und fordert eine unterstützende und resiliente Haltung. Dabei spielt die Metakompetenz Selbstorganisation eine zentrale Rolle, denn wer sich selbst organisieren kann, gewinnt an Resilienz und wer widerstandsfähiger ist, kann sich wiederum auch besser selbstorganisieren – eine sich gegenseitig Aufwärtsspirale, die durch eine professionelle Begleitungsarbeit gezielt gefördert wird.
 

Warum Selbstorganisation die Welt von morgen bestimmt

Schnelllebige Veränderungen erfordern Beweglichkeit, oder anders ausgedrückt Agilität - die Fähigkeit eines Systems, schnell und flexibel auf Veränderungen der Aussen- und/oder Innenwelt zu reagieren. Kernmerkmal agiler Arbeit ist ihre selbstorganisierte Arbeitsweise. Selbstorganisation wird definiert als die freie Gestaltung von Arbeit innerhalb eines definierten Rahmens z.B. der Unternehmensstrategie. Innerhalb dieses Frameworks entscheiden die Mitarbeitenden eigenständig, welche Aufgaben sie erledigen, um ihre Ziele zu erreichen. Sie legen auch fest, welche Methoden sie dafür nutzen, welche Verantwortung sie übernehmen und wie sie mit anderen Mitarbeitenden im Unternehmen zusammenarbeiten. Das bedeutet auch, dass Entscheidungen nicht von einer übergeordneten Führungskraft, sondern von den einzelnen Personen getroffen werden. Um als Unternehmen also erfolgreich in der Welt von morgen mitzuspielen, ist Agilität eine elementare, strukturelle Voraussetzung und die Selbstorganisation als Metakompetenz das Zünglein an der Waage.


Exkurs: Autonome vs. Autogene Selbstorganisation

Selbstorganisation wird in der Fachliteratur in zwei Seiten einer Medaille gekennzeichnet, um ein vertieftes Verständnis der Selbstorganisation in sozialen Systemen zu ermöglichen. Zum einen gibt es die autonome Selbstorganisation, welche sich dadurch auszeichnet, dass eine Ordnung selbstbestimmt (autonom) durch die Organisationsmitglieder entsteht. Ein entsprechender handlungsspielraum für erweiterte Entscheidungs- und Handlungsbefugnisse ist dabei die wichtigste Voraussetzung und dieser muss definiert und transparent kommuniziert werden.  Dem gegenüber steht die autogene Selbstorganisation, welche hingegen als Folge der (sozialen) Eigendynamik komplexer, dynamischer Systeme keinem bewussten Gestaltungsakt unterliegt. Sie entsteht in diesem Sinne durch die Autonomie selbst.

Trotz dieser Unterscheidung ist es wichtig zu verstehen, dass beide Arten der Selbstorganisation zusammenhangen und eine jeweilige Seite der Medaille einnehmen. Sie treten stets gemeinsam auf wobei das Vorhandensein der autonomen Form immer die Voraussetzung für die autogene Form darstellt (Altherr 2019).



Selbstorganisation und Resilienz – eine erfolgreiche Zusammenarbeit

Unsicherheiten wie sie von einer dynamischen, systemisch vernetzten (VUCA) Welt ausgelöst werden, können schon mal zusetzten und Ängste auslösen. Habe ich morgen noch dieselben Aufgaben? Gibt es meinen Beruf in paar Jahren noch? Muss ich im Alter noch etwas völlig anderes lernen? Die Selbstorganisation mag solche Fragen zwar nicht konkret zu beantworten, liefert aber eine grundlegende Antwort auf mögliche Sorgen: Selbstwirksamkeit und Selbstermächtigung. Denn eine autonom (und autogen) definierte Haltung - generiert unter anderem durch Selbstorganisation - ermöglicht ein selbstwirksames Selbstbild. Dieses lässt uns unbeeinflussbare Dinge in den Hintergrund rücken und fokussiert stattdessen auf die Dinge, die wir selbst steuern können. Eine solche Selbstwirksamkeit (z.B. der Glaube an sich selbst) ist ein wichtiger Faktor und eine der sieben Säulen zur Stärkung der eigenen Resilienz. Eine resiliente, agile Haltung befähigt uns dazu, unser Selbst zu organisieren. Somit hängen Resilienz und Selbstorganisation in einer sich bedingenden Beziehung zusammen – wer resilient ist, beherrscht Selbstorganisation und wer sich selbst zu organisieren weiss, fördert seine Resilienz. Damit dieses Zusammenspiel gelingt, braucht es nebst dem passenden Mindset aber auch ein geeignetes Framework, welches erlaubt Dinge frei zu gestalten und Ungewissheiten für sich zu nutzen - wie ein Chamäleon, welches sich fortlaufend an die Umgebung anpasst und sich daraus einen Vorteil erschafft. Mit einer unterstützenden Grundhaltung als festen Boden, Selbstorganisation als sichere Leiter und einer Portion Selbstwirksamkeit, die uns schlussendlich klettern lässt, können wir uns auch in stürmischen Zeiten erfolgreich am Baum des Lebens halten.
 

Wieso wir Freiheit nicht besitzen, sondern machen

Die eigenständige Arbeitsweise agiler, selbstorganisierter Strukturen geht mit Freiheit einher. Doch Freiräume und freiheitsbegünstigende Bedingungen sind keine Dinge, die man «besitzt» oder nicht – man tut sie. Es handelt sich um eine dynamische Übung bzw. einen fortlaufenden Prozess im Umgang mit Ungewissheiten. Ungewissheiten, die dadurch entstehen, dass Freiheiten gemacht und gelebt werden, indem die Ungewissheit des nächsten Schrittes ausgehalten wird. Selbstorganisation ist so gesehen kein fertiger, freier Raum, in den wir uns reinsitzen können, sondern ein metaphorischer Sandkasten, den wir alle gemeinsam als Feld der Möglichkeiten erkunden können – wir werden dazu eingeladen, unsere mentalen Modelle zu überdenken und mit Mut zu experimentieren. Dabei immer im Blick, dass Selbstorganisation nicht zwingend Vereinzelung bedeutet und allem voran Befähigung voraussetzt.


Gezielte Förderung mittels Begleitungsarbeit

Wie ein Grashalm, der sich im Wind biegt und dann schnell wieder in seine ursprüngliche Form zurückfindet, brauchen Menschen in turbulenten Zeiten Stabilität wie auch Flexibilität. Diese Balance ist bezeichnend für die Resilienz und wird eben durch eine unterstützende Haltung möglich. Zum Glück ist diese gezielt förder- und trainierbar. Professionelle Begleitungspersonen schaffen neue Perspektiven und helfen, veränderte Denk- und Handlungsroutinen im Alltag zu verankern. Mit spezifischen Fragemethoden und Übungen wird der Fokus gezielt auf persönliche Ressourcen und Lösungen gelegt, ein wertschätzender Umgang sich selbst und anderen gegenüber gepflegt und ein systemischer wie auch individueller Ansatz verfolgt – alles Grundvoraussetzungen für eine unterstützende Haltung. Diese erlebte und gelebte Grundhaltung im Begleitungsprozess fördern eine selbstwirksame Einstellung, ermöglichen so nachhaltige Selbstorganisation, und stärken die persönliche Resilienz als Ganzes indem sie unser Skillset um wichtige Metakompetenzen für die Arbeitswelt 4.0 erweitern.


Literaturverzeichnis

Altherr, Marcel (2019): Die Organisation der Selbstorganisation. In P. Kels & S. Kaudela-Baum (Hrsg.): Experten führen. Modelle, Ideen und Praktiken für die Organisations- und Führungsentwicklung. Wiesbaden: Springer.



Autorin: Sonja Kupferschmid Boxler

Ist beim Coachingzentrum Olten – dem Kompetenzzentrum für Coaching, betriebliches Mentoring, Supervision und Resilienztraining – in der Geschäftsführung tätig und hat sich beim Auf- und Ausbau des Weiterbildungsangebotes vertieft mit dem Thema Verhaltensveränderungen auseinandergesetzt.


 

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