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Tiergestützte Psychotherapie

Quinyon of beautiful whites ist der tägliche Begleiter von Sonja Boxler, welche ergänzend zu ihrer Tätigkeit als Geschäftsleitungsmitglied vom Coachingzentrum Olten, als Fachpsychologin für Psychotherapie FSP in eigener Praxis in Wabern unterwegs ist. Welches die Wirkfaktoren tiergestützter Interventionen sind und worin der Mehrwert liegt des Einsatzes eines Hundes in der Psychotherapie, davon berichtet dieser Artikel.

von Sonja Kupferschmid Boxler

Wirkfaktoren tiergestützter Interventionen

In der Literatur gibt es verschiedenste Ansätze zur Erklärung der besonderen Wirkungen der Tiere in der Psychotherapie, die zum Teil bereits gut empirisch abgesichert sind (Otterstedt & Olbrich, 2003). Der Hund nimmt als «therapeutisches Medium» eine besondere Stellung ein, da Hunde ähnliche soziale Strukturen und Bedürfnisse wie Menschen besitzen. Sie sind einfühlsam, anpassungsfähig, können durch Mimik und Körpersprache kommunizieren, geniessen gemeinsame Aktivitäten und fordern zur Kontaktaufnahme auf. Tiere agieren naturgemäss «klientenzentriert», das heisst empathisch, nicht wertend, kongruent und mit bedingungsloser positiver Zuwendung. Dies ermöglicht eine offene und echt gemeinte Kontaktaufnahme zwischen Patient und Hund. Durch den intensiven Kontakt zum Hund (berühren, streicheln) wird eine Ausschüttung von Oxytocin ausgelöst. Dieses Hormon führt zur Senkung des Stresslevels durch eine Senkung des Kortisolspiegels. Angst und Anspannung werden reduziert, gleichzeitig wird die Bindungsfähigkeit erhöht (Beetz, Kotrschal, Turner, Hediger, Uvnäs-Moberg, & Julius (2011)).

Worin liegt der Mehrwert des Einsatzes eines Hundes

  • Steigerung Therapiemotivation: Durch die Aussicht auf ein tiergestütztes Psychotherapiesetting steigt häufig die Bereitschaft, einer Therapie überhaupt zuzustimmen. Im weiteren Prozess helfen Tiere, die Patienten zu motivieren, an der Therapie aktiv teilzunehmen und sich für therapeutische Massnahmen zu öffnen. Tiere wirken während der Sitzungen beruhigend und angstmindernd. Anspannungszustände werden dadurch reduziert oder verhindert, so dass fast durchgängig eine konstruktive Arbeitsatmosphäre besteht. 
  • Unterstützung beim Beziehungsaufbau und Arbeit an Bindungsmustern: Zu Beginn fungiert der Hund als Eisbrecher, indem er die Beziehungsgestaltung zwischen Therapeut und Patient förderlich unterstützt. Er hilft, anfängliche Widerstände zu mindern, indem er eine angenehme offene Atmosphäre entstehen lässt, in der es leichter fällt, über die eigenen Probleme und Schwierigkeiten zu sprechen. Patienten haben gegenüber dem Hund weniger Bedenken vor einer persönlichen Ablenkung und machen keine entsprechenden Erfahrungen, da sich der Hund klientenzentriert verhält. Unsichere Bindungsmuster, in der frühen Kindheit erworben, werden auf neue MenschMensch-Interaktionen übertragen, jedoch nicht auf eine Interaktion mit einem Tier. Hier besteht die Möglichkeit, ein sicheres Bindungsmuster zu etablieren und im Idealfall auf den Therapeuten und auch weitere Menschen zu übertragen. Des Weiteren wird der Vertrauensaufbau zum Therapeuten erleichtert, weil dieser seine ethischen Werthaltungen, seine Art der Beziehungsgestaltung und seine achtsame Art am Umgang mit dem Hund zeigen kann.
  • Perspektivenwechsel anregen und Achtsamkeit leben: Besonders hilfreich sind hierbei triangulierende Betrachtungen wie: «Glaubst du, dass der Hund weiss, was du fühlst? Wie würde er deine Gefühlslage beschreiben?...» Zudem werden neue Möglichkeiten eröffnet und kreative neue Verhaltensweisen erprobt, wenn sich die Patienten sicher fühlen und emotionale Unterstützung seitens des Tieres erfahren. Dadurch kann sich das innere Arbeitsmodell verändern, wie auch die Erfahrung von Selbstwirksamkeit zunehmen. Der Umgang mit dem Tier an sich fördert Achtsamkeit und zwar in der Art der Kontaktaufnahme und Beziehungsgestaltung. Auch angeleitete Achtsamkeitsübungen mit dem Hund werden direkt als angenehm erlebt, im Gegensatz zum Training der Achtsamkeit ohne Tier, das erst nach einer etwa sechswöchigen Latenz täglichen Übens positive Auswirkungen zeigt. Bei der Übertragung der Erfahrung innerhalb der Therapiestunden auf den Alltag der Patienten hilft die starke emotionale Kopplung durch das Erleben angenehmer Emotionen mit dem Tier und wirkt so als Ressource. Ziel der tiergestützten Psychotherapie ist nicht, dass sich Patienten ein eigenes Haustier anschaffen (müssen), sondern, dass das Tier im Rahmen der Therapie immer mehr in den Hintergrund treten kann und die neu erworbenen emotionalen Ressourcen und sozialen Fertigkeiten auch ohne Hund im Alltag der Patienten zum Einsatz kommen.

Literaturverzeichnis:

Beetz, A., Kotrschal, K., Turner, D. C., Hediger, K., Uvnäs-Moberg, K., & Julius, H. (2011). The effect of a real dog, toy dog and friendly person on insecurely attached children during a stressful task: An exploratory study. Anthrozoös, 24(4), 349-368.

Otterstedt, C., & Olbrich, E. (2003). Menschen brauchen Tiere. Grundlagen und Praxis der tiergestützten Pädagogik und Therapie, Stuttgart.

Zanarini, M. C., Williams, A. A., Lewis, R. E., & Reich, R. B. (1997). Reported pathological childhood experiences associated with the development of borderline personality disorder. The American journal of psychiatry, 154(8), 1101.



Autorin: Sonja Kupferschmid Boxler

Ist beim Coachingzentrum Olten – dem Kompetenzzentrum für Coaching, betriebliches Mentoring, Supervision und Resilienztraining – in der Geschäftsführung tätig und hat sich beim Auf- und Ausbau des Weiterbildungsangebotes vertieft mit dem Thema Verhaltensveränderungen auseinandergesetzt.

 

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