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Was bedeutet Glaubenssätze?

Für euch nachgefragt im Dezember 2021

Begriffe rund um Coaching, betriebl. Mentoring, Supervision und Resilienztraining wirkungsvoll erklärt

In diesem Monat haben wir bei Sonja Kupferschmid Boxler, Geschäftsführung, nachgefragt, was der Begriff «Glaubenssätze» bedeutet. Im folgenden Text erläutert sie, woher der Begriff stammt, was darunter zu verstehen ist und wie dieses Wissen in Begleitungsprozesse einfliessen kann.

Glaubenssätze

Wie kommt es, dass wir Menschen ein und dieselbe Situation sehr unterschiedlich wahrnehmen und bewerten? Viele unserer automatischen Einordnungen und Bewertungen sind verinnerlichte Überzeugungen bzw. Glaubenssätze, welche sich aufgrund unserer Erlebnisse und Erfahrungen von Person zu Person unterscheiden.

Definition

Der Begriff Glaubenssätze wird in der Literatur nicht einheitlich benutzt sowie je nach Strömung und Fokus (z.B. NLP, Transaktionsanalyse und Stressbewältigung) anders definiert. Der vorliegende Text orientiert sich an Gert Kaluza und seinen Arbeiten zu Stress. Glaubenssätze werden in diesem Sinne als Annahmen über die eigenen Fähigkeiten und die eigene Identität definiert. Sie beeinflussen das menschliche Denken und Verhalten, als auch die Wahrnehmung auf Dinge. Positive Glaubenssätze („Was ich anpacke, gelingt.“) stärken den Menschen und ermöglichen ein selbstbestimmtes Leben und Handeln. Negative Glaubenssätze („Ich bin zu dumm dafür.“) hingegen, sind hinderlich und können zu Leistungsblockaden führen.

Die zwei Seiten der Medaille

Eine wichtige Quelle für Glaubenssätze sind die bisherigen Erfahrungen einer Person. Das, was sie in ihrem bisherigen Leben beobachtet, wahrgenommen, erlebt und gefühlt hat. Glaubenssätze sind Verallgemeinerungen bestimmter Zusammenhänge und Bedeutungen. Diese können uns Menschen dabei helfen, das alltägliche Leben einfacher zu gestalten. Auch in beruflichen Situationen spielen Glaubenssätze eine wichtige Rolle. Von sich selbst und den eigenen Fähigkeiten überzeugt zu sein beispielsweise, ist eine Voraussetzung für Leistungsfähigkeit und Erfolg. Die Kehrseite der Medaille ist, dass Glaubenssätze eine Schlüsselrolle bei der Entstehung von Stress einnehmen können, daher lohnt es sich, die zugrundeliegenden stressverstärkenden Gedanken- und Bewertungsmuster genauer zu betrachten (Moskaliuk, 2016).

Stressverstärkende Glaubenssätze nach Kaluza

Unreflektierte Überzeugungen und Bewertungsmuster können in herausfordernden Situationen zusätzlichen Stress auslösen. Kaluza (2015) unterscheidet in diesem Zusammenhang folgende Stressverstärker: «Sei perfekt», «Sei beliebt», «Sei unabhängig», «Behalte Kontrolle» und «Halte durch».

  • Sei perfekt: Dieser Anspruch entsteht aus einem stark ausgeprägten Leistungsmotiv heraus. Er beinhaltet den Wunsch, alles fehlerfrei und vorbildlich zu erledigen sowie erfolgreich zu sein.
  • Sei beliebt: Hier steht das Motiv nach Nähe und sozialer Zugehörigkeit im Zentrum. Dieser Anspruch widerspiegelt also das Bindungsmotiv.
  • Sei unabhängig: Das Bedürfnis nach Autonomie spielt im Zusammenhang mit diesem Anspruch eine grosse Rolle. Es soll ein Bild der Stärke bewahrt werden, auch wenn die Grenze der Belastbarkeit überschritten wurden.  
  • Behalte Kontrolle: Dinge aktiv gestalten und beeinflussen zu können, steht hier im Mittelpunkt. Ist aber z.B. die Möglichkeit zur Kontrolle über eine Situation gering, löst dieser Anspruch Stress aus.
  • Halte durch: Dieser Anspruch fordert, nicht aufzugeben, sondern Disziplin walten zu lassen. Erholung oder gar ein Aufgeben sind nicht erlaubt.

Die Grundmotive, die hinter diesen Glaubenssätzen stehen, sind allen Menschen gemeinsam und prägen unser Erleben weitgehend kulturunabhängig. Der Unterschied liegt vor allem darin, wie stark wir die einzelnen Ansprüche spüren. Alle fünf beschriebenen Glaubensätze sind nämlich an und für sich gesund. Stressverstärker werden sie erst dann, wenn sich das dahinterstehende Bedürfnis zu einem übertriebenen, absoluten Anspruch an die eigene Person wird (Kaluza, 2015).

Mehrere Schritte zum Erfolg

Wenn die Ansprüche an uns selbst so absolut geworden sind, dass sie uns daran hindern, unser Potential auszuschöpfen, sollte eine Veränderung in Angriff genommen werden. Glaubenssätzen zu verändern und damit so zu nutzen, dass sie förderlich wirken, ist ein Prozess und beinhaltet daher mehrerer Schritte. Um hinderliche Muster wirksam zu verändern, müssen diese zuerst einmal erkannt und eine wertschätzende Haltung eingenommen werden (Völler, 2016).
 

Identifizieren
Der erste Schritt auf dem Weg zur Veränderung ist das Identifizieren vorhandener Glaubenssätze. Dies ist meist leichter gesagt als getan, denn oft wird gar nicht in Erwägung gezogen, dass diese verändert werden können. Eine Methode, die bei diesem Schritt helfen kann, ist den Glaubenssätzen durch unterstützende Fragen bewusst zu werden (z.B. Was muss ein Mensch denken oder glauben, der sich so verhält/fühlt?). Auch das Aufschreiben von Sprichwörtern beispielsweise, kann helfen unseren kaum wahrnehmbaren Verhaltensmustern auf die Spur zu kommen (Richter-Kaupp, 2013).
 

Wertschätzen
Um später eine wirksame Veränderung der Glaubenssätze vornehmen zu können, ist es wichtig, dass auch die positiven Absichten hinter einem scheinbar hinderlichen Glaubenssatz erkannt werden. Empfehlenswert ist also eine wertschätzende Haltung gegenüber den eigenen Denkmustern einzunehmen. Bei der Suche nach neuen Glaubenssätzen sollte bei der Umformulierung drauf geachtet werden, dass der neue Glaubenssatz, die positiven Absichten des Alten ins Neue integriert. Hierzu kann die Methode des inneren Kritikers (diese wird im Praxistipp genauer erläutert) unterstützend wirken.
 

Verändern
Nach dem Identifizieren und Wertschätzen sollte natürlich auch die gewünschte Veränderung angestrebt werden. Obwohl der Weg nun eigentlich frei ist, muss das gewünschte Verhalten zum Teil erst noch erlernt werden.  Auch in diesem Zusammenhang gibt es Fragen wie z.B. «Welche konkreten Schritte wollen Sie gehen, um die neuen Verhaltensweisen zu erlernen?», welche unterstützend wirken können. Auch andere Methoden wie die Visualisierung anhand von Moderationskarten, eine «als ob»-Haltung und das Einsetzen von Perspektivenwechsel können in diesem letzten Schritt des Prozesses hilfreich sein (Moskaliuk, 2016).
 

In jedem der drei aufgeführten Schritte (Identifizieren, Wertschätzen und Verändern) und den dazugehörigen Tools ist es wichtig, keine Wertung des Gesagten bzw. Gedachten vorzunehmen und sich genügend Raum zu lassen. Dadurch soll eine neugierig-wohlwollende Stimmung geschaffen werden, welche ermöglicht sich selbst zu hinterfragen.

 

Praxistipp für Begleitungsprozesse

Was bringt mir dieses Wissen in der Praxis?

Bei der Arbeit mit Glaubenssätzen sollen einschränkende Denkmuster auf ihren aktuellen Realitätsgehalt überprüft und bei Bedarf korrigiert werden. Als Begleitungspersonen können wir unsere Kundinnen und Kunden dabei unterstützen, indem Glaubenssätze bewusst gemacht, überprüft, neu formuliert und geankert werden. Durch diesen Veränderungsprozess können Glaubenssätze ihre positive Wirkung entfalten. Durch das Einsetzen von verschiedenen Coaching-Tools können wir einen Zugang zu verinnerlichten Gedankenmustern schaffen und damit das Einnehmen einer wertschätzenden Haltung ermöglichen. Im Coaching ist der Glaube an eine mögliche Veränderung eine wichtige Voraussetzung für Erfolg. Deshalb ist es wichtig unsere Kundinnen und Kunden darin zu bestärken, dass es gelingen kann Glaubenssätze zu verändern oder darauf hinzuweisen, dass es in der Vergangenheit vielleicht bereits gelungen ist. Durch die Arbeit mit Glaubensätzen können stressverstärkende Annahmen reduziert und so unter anderem die Leistungsfähigkeit und Lebensqualität gesteigert werden. Denn häufig sind wir Menschen nicht von den Dingen selbst, sondern aufgrund unserer Interpretation davon, beunruhigt (Rückerl & Rückerl, 2008). Um die positiven Seiten von Glaubenssätzen zu nutzen, braucht es vor allem eine kritische Auseinandersetzung mit den eigenen Gedankenmustern. Nur wenn wir diese reflektieren, haben wir die Wahl, ob wir ihnen folgen möchten oder die Chance nutzen, um uns anders zu entscheiden (Mierke & Van Amern, 2018).


Quellenangaben 

Kaluza, G. (2015): Gelassen und sicher im Stress: Das Stresskompetenz-Buch: Stress erkennen, verstehen, bewältigen. Berlin, Heidelberg: Springer.

Mierke, K. & Van Amern, E. (2018): Klare Ziele, klare Grenzen. Berlin Heidelberg: Springer.

Moskaliuk, J. (2016): Leistungsblockaden verstehen und verändern. Psychologisches Praxiswissen für Coaches und Führungskräfte. Berlin Heidelberg: Springer.

Richter-Kaupp, S. (2013): Ein Coaching-Tool von Silvia Richter-Kaupp. Coaching-Magazin. Online unter: www.coaching-magazin.de/tools-methoden/coaching-tool-schatz-in-sicht (abgerufen am 03.08.2021).

Rückerl T., & Rückerl T. (2008): Coaching mit NLP-Werkzeugen. Weinheim: WILEY-VCH

Völler, V. (2016): Baustein 8 Arbeit mit Glaubenssätzen. Handwerkszeug der systemischen Beratung: Das Buch zur Weiterbildung Systemisches Tool Camp-2, S. 131.
 

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