Organisationale Energie - Für euch nachgefragt

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Was bedeutet Organisationale Energie?

Für euch nachgefragt im April 2021


Begriffe rund um Coaching, betriebl. Mentoring, Supervision und Resilienztraining wirkungsvoll erklärt

In diesem Monat haben wir bei Karin Sidler, Geschäftsführung, nachgefragt, was der Begriff «Organisationale Energie» bedeutet. Im folgenden Text erläutert sie, woher der Begriff stammt, was darunter zu verstehen ist und wie dieses Wissen in Begleitungsprozesse einfliessen kann.

 

Organisationale Energie

Unternehmen unterscheiden sich bezüglich der Kraft, der Geschwindigkeit und der Ausdauer, mit der sie arbeiten, sich verändern und vor allem Innovationen hervorbringen. Dieser Unterschied ist insbesondere auf die Organisationale Energie zurückzuführen – eine Kraft, die zu zielgerichteten Bewegungen eines Unternehmens führt und so dessen Erfolg entscheidend mitbestimmt.

Organisationale Energie und deren vier Zustände

Organisationale Energie definiert sich als Kraft, mit der Unternehmen arbeiten und Dinge bewegen. Sie zeigt sich in der Vitalität, Intensität und Geschwindigkeit von Arbeits-, Veränderungs- und Innovationsprozessen in Unternehmen (Bruch & Vogel 2018). Liegt im Unternehmen eine positive Ausrichtung des Denkens, Fühlens und Handelns gegenüber den Unternehmenszielen vor, so setzt dies Organisationale Energie frei. Organisationale Energie zeigt sich aber nicht nur auf eine Art und Weise, sondern kann verschiedene, spezifische Zustände haben.

Insgesamt lassen sich vier typische Energiezustände in Unternehmen unterscheiden. Diese kommen mit Hilfe von zwei unabhängigen Dimensionen zustande – Intensität und Qualität. Die Intensitätsdimension gibt das Ausmass der Aktivierung der vorhandenen emotionalen, mentalen und verhaltensbezogenen Potenziale an und ermöglicht somit eine Unterscheidung in hoch- und niedrigenergetische Unternehmen. Die Qualitätsdimension gibt wiederum Auskunft darüber, ob die Energie positiv und auf die gemeinsamen Unternehmensziele ausgerichtet ist (z.B. Spass, Begeisterung und Motivation am Arbeitsplatz) oder ob die Energie negativ ist und sich somit als eher destruktiv erweist (z.B. Ärger, Frustrationen oder Unsicherheiten auf der Seite der Mitarbeitenden). Werden beide unabhängigen Dimensionen mit ihren jeweiligen Ausprägungen berücksichtigt, ergeben sich die vier Energiezustände: Resignative Trägheit, Korrosive Energie, Angenehme Trägheit, Produktive Energie.

Der gewünschte Energiezustand ist die produktive Energie, welche sich durch ein hohes Aktivitätsniveau und hohe Begeisterung bei gleichzeitig starker Anstrengung auszeichnet. Nach Dutton (2003) ist der Zustand der produktiven Energie als Treibstoff zu verstehen, der Unternehmen in Höchstform bringt. Wenn also die Organisationale Energie richtig genutzt wird, kann ein positiver Zusammenhang mit Unternehmenswachstum und finanziellen Ergebnissen gezeigt werden. Diese Ergebnisse beruhen darauf, dass starke positive Emotionen sowohl Kooperation als auch Leistung verbessern können.
 

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Vorsicht Energiefallen

Gemäss Bruch und Vogel (2018) ist es wichtig, die Organisationale Energie mit Bedacht und Sorgfalt zu fördern. Ansonsten können auch bei hoher positiver Energie sogenannte Energiefallen auftreten. Insgesamt werden drei Energiefallen unterschieden: Die Trägheitsfalle, die Korrosionsfalle und die Beschleunigungsfalle. Die Trägheitsfalle bedeutet in der Unternehmenspraxis, dass es Organisationen nicht mehr möglich ist, ihre Potenziale zu mobilisieren und nutzbar zu machen. Sie kann durch zwei Entwicklungen entstehen: Eingefahrene Verhaltensmuster durch zu grosse Erfolgssicherheit und Trägheit durch dauerhaftes Arbeiten unter den eigenen Möglichkeiten. Die Korrosionsfalle hingegen beinhaltet, dass Unternehmen mit massiver negativer Energie zu kämpfen haben. In diese Falle geraten Organisationen durch eine hohe Diskrepanz zwischen der Handlungsbereitschaft der Mitarbeitenden und den ihnen tatsächlich eingeräumten Spielräumen. Bei der Beschleunigungsfalle werden Unternehmen an die Grenzen ihrer Belastbarkeit getrieben und es kommt zu Ermüdungserscheinungen und somit zu geringeren Leistungen mit wiederum verstärktem Druck.

Um diese Fallen zu vermeiden, ist ein bewusstes und ebenso gezieltes Energiemanagement nötig. Es können unter anderem zwei Strategien unterschieden werden, die helfen, die produktive Energie zu erhöhen: Die sogenannte „Winning-the-Princess-Strategie“ über die Begeisterung der Mitarbeitenden für die Werte und Ziele eines Unternehmens und die „Slaying-the-Dragon-Strategie“ über die Verdeutlichung der Dringlichkeit eines Anliegens und der Stärkung des Selbstvertrauens der Mitarbeitenden, zum Beispiel bei einer anstehenden Veränderung.

 

Praxistipp für Begleitungsprozesse

Was bringt mir dieses Wissen in der Praxis?

Das Wissen rund um die verschiedenen Energiezustände und eine fundierte Analyse der Organisationalen Energie in einer Organisation ist essentiell, stellt jedoch nur den Startpunkt für einen Veränderungsprozess dar. Ebenso wichtig ist es, die Erkenntnisse in geeigneter Form an die Beteiligten zurückzumelden und die Führungskräfte gekonnt in einen nachhaltigen Folgeprozess zu involvieren. Als Begleitungspersonen können wir Mitarbeitende, Teams und Führungskräfte in genau diesem Folgeprozess unterstützen. Durch die Förderung von Veränderungskompetenzen können Denk- und Handlungsmöglichkeiten erweitert und so produktive Energie freigesetzt werden. So können wir als Teamcoaches beispielsweise Teams dabei unterstützen, in ihrem dynamischen Arbeitsalltag die Kraft der Organisationalen Energie zu nutzen und damit auch ihre agile Kompetenz zu erweitern. Gerade in der Arbeitswelt 4.0 ist es enorm zentral, Veränderungsprozesse schnell zu bewältigen, effektive Innovationen hervorzubringen und sich dabei stets weiterzuentwickeln. Forschungsergebnisse zeigen, dass eine wesentliche Ursache für die Unterschiede zwischen sich schnell und erfolgreich verändernden Unternehmen und statischen, sich wenig entwickelnden Firmen im Ausmass an vorhandener Organisationaler Energie zu finden ist (Bruch, Vogel & Morhart 2006). Führungskräfte und Organisationen stehen somit vor der Aufgabe, ihre Mitarbeitenden so zu führen, dass diese in einem anspruchsvollen Arbeitsumfeld auch unter hoher Arbeitsauslastung gemeinsam an einem Strang ziehen. Mit dem Wissen um den Nutzen und auch die Tücken der Organisationalen Energie können wir Unternehmen dabei unterstützen, in Zeiten des Wandels erfolgreich unterwegs zu sein, ihr (Energie-)Potential auszuschöpfen und damit gleichzeitig auch die Motivation und Zufriedenheit der Mitarbeitenden zu stärken.

 

Quellenangaben 

Berenbold, S. & Backes, J. (2020). Organisationale Energie aktivieren und lenken. In: Pflegezeitschrift. S.10-13.
Bruch, H. & Vogel, B. (2009). Organisationale Energie. Wie Sie das Potenzial Ihres Unternehmens ausschöpfen. Springer: Berlin Heidelberg.
Bruch, H. & Ghoshal, S. (2003): Unleashing organizational energy, in: Sloan Management Review. S. 45–51.
Bruch, H. & Vogel, B. (2018). Organisationale Energie. Eine neue Leadership-Perspektive für hoch produktive Unternehmen. In: ManagementWissen. S.23-33.
Bruch, H., Vogel, B. & Morhart, F. (2006). Organisationale Energie. Messen, Nutzen und Erhalten der produktiven Kraft von Unternehmen. In: Zeitschrift Führung und Organisation. S. 4-10.
Dutton, J. (2003): Energize your workplace. New York.

 

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