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Geschichten, die das Leben schreibt: Interview mit Therese Kämpfer

Es folgt ein Ausschnitt aus dem Interview mit Therese Kämpfer

Liebe Frau Kämpfer, zusammen mit Ihrer Tochter haben Sie Anfang Februar 2021 den Verein myPeer gegründet und eine Kooperation mit dem Coachingzentrum aufgebaut, um Peers – Experten aus Erfahrung – ausbilden zu können. Bevor wir zu diesem Thema kommen, lassen Sie uns zunächst einen Blick auf Ihr spannendes Leben werfen.

Mit Anfang 20 hatten Sie einen schweren Unfall, der Ihr weiteres Leben komplett veränderte, da Sie sich seitdem im Rollstuhl bewegen. Wie sind Sie mit diesem doch sehr einschneidenden Erlebnis umgegangen?

Ich war damals eine frisch diplomierte Krankenschwester und fuhr immer mit dem Töffli zur Arbeit. Eines Morgens, nach einer Nachtschicht, bin ich verunfallt. Während der Rehabilitation hat es mich emotional schwer getroffen und ich habe mein Leben und meine Zukunft in Frage gestellt.

Doch wie das Leben so spielt, war mein damaliger Mann, im Studium zum Englischlehrer, viel im Ausland unterwegs und wir wollten schon vor dem Unfall nach Amerika reisen. Er konnte mich überzeugen trotz Rollstuhl mit ihm diese Reise zu unternehmen und da habe ich gesehen, wie fortschrittlich die USA waren, wenn es um Rollstuhlgerechtigkeit im Alltag geht. Ich merkte:

„Es sind vor allem architektonische Barrieren, die das Leben im Sitzen erschweren, und nicht meine eigentliche Gehbehinderung.“

Als ich von dieser Überseereise zurückkam, voller Lebensmut, habe ich ein Jobangebot von einer Arztgehilfi nnenschule bekommen, um zu unterrichten. Das gab mir wieder eine sinnvolle Beschäftigung und neue Lebensfreude, denn die Anstellung war geregelt und bezahlt, nicht nur freiwillig oder eine geschützte Werkstatt. Mit dem Beginn Rollstuhlsport zu
treiben, genauer gesagt Rugby, kam ich schnell in den nationalen Kader und habe gelernt, erfolgreich um die Welt zu reisen und Gehör zu entwickeln für Gleichgestellte, eben Peers.

Nur wenige Jahre nach dem Unfall haben Sie Kinder bekommen. Welchen Herausforderungen gab es für Sie und wie haben Sie sie gemeistert?

Ich war halt einfach jung und naiv (lacht). Damals gab es noch kein Internet, so war ich nicht versucht nachzuschlagen, was alles schief gehen könnte bei einer Schwangerschaft. Und trotz Unterleibslähmung und fehlender Rumpfmuskulatur konnte ich auch zweimal normal gebären.

„Alles in allem war es wirklich einfach naiv, von grossem Vertrauen und gesundem Optimismus geprägt.“

Auch beruflich haben Sie einen spannenden Werdegang mit Einblick in verschiedene Berufe, die Sie schlussendlich ans SPZ geführt haben, wo Sie ein Peer Counceling aufbauen durften. Wann und wie haben Sie gemerkt, welchen Stellenwert Peers haben können?

Durch meinen Schulungsauftrag war ich an vielen Kongressen für Pflegende und Ärztinnen eingeladen, wo ich mich immer wieder fragen musste:

„Wo sind denn hier die Betroffenen? Die müssen geschult und informiert werden, und zwar aus erster Hand, und nicht über Ecken, so quasi Second Hand.“

In einem Peer-to-Peer Setting gelangt man viel direkter und tiefer in die eigentlichen Themen, die einem beschäftigen. Untereinander weiss man, was einen kümmert, was diskutiert werden soll und was nicht.

Wie kam es dazu, dass Sie zusammen mit Ihrer Tochter den Verein myPeer gegründet haben?

(Lacht)… Das ist eine lustige Geschichte. Meine Tochter und ich haben schon immer gesagt, dass wir irgendeinmal etwas zusammen aufbauen werden. Durch ihren Bildungsweg hat sie gelernt, wie man Unterricht plant, wie man unterrichtet, die ganzen Feinplanungen etc.

„Ich wusste, was ich den Peers unterrichten wollte, und meine Tochter wusste, wie wir das hinkriegen.“

Das ist ein riesiger Glücksfall, aber wahrscheinlich hat sich das halt einfach so gefügt, dass wir nun gemeinsam myPeer gegründet haben.

 

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