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Online Coaching: Ein wirkungsvolles Format mit Zukunftspotenzial

Lesedauer: ca. 5 Minuten

Durch die Möglichkeiten des digitalen Fortschritts können wir orts- und zeitunabhängig miteinander kommunizieren – ein Aspekt, der auch im Coaching neue Chancen generiert. Online Coaching ist ein junges Format, das Insbesondere in den letzten Jahren ein sichtbares Wachstum erfahren hat. Wie es um die Wirksamkeit von online-basierten Beratungen und Begleitungen steht und auf welche Skills es im Speziellen ankommt, erfahren Sie in diesem Beitrag.

Von Sonja Kupferschmid Boxler & Pascal Dimitri Ruchti

Die Zeit, in der wir uns ausschliesslich im direkten, persönlichen Kontakt begegnen, sind Geschichte. Nicht nur bei der Arbeit, auch in allen anderen Lebensbereichen kommunizieren wir zunehmend über virtuelle Kanäle. Dies macht uns flexibel und spart Zeit, teilweise sogar Energie.

Auch Beratungen und Begleitungen finden heute vermehrt in digitaler Form statt. Gerade im Coaching ist ein Zuwachs an Online-Angeboten beobachtbar. Diese Entwicklung wurde zwar durch die Herausforderungen der letzten Monate angekurbelt, ist jedoch keineswegs allein darauf zurückzuführen. Der Trend weg vom klassischen hin zum digitalen Begleitungssetting hat sich bereits davor angekündigt – angetrieben durch die zunehmende Digitalisierung der Arbeitswelt und dem wachsenden Bedürfnis, wenn immer möglich flexibel und mobil zu sein.

Online Coaching – was versteht man darunter?

Wenn es um das Verständnis von «Online Coaching» geht, herrschen aufgrund der grossen Begriffsvielfalt einige Unklarheiten. Online Coaching kann als eine Bezeichnung für computergestütztes, multimediales und interaktives Vorgehen betrachtet werden. Online Coaching besitzt allerdings viele Synonyme. Dazu gehören das E-Coaching, Tele-Coaching, virtuelles Coaching und digitales Coaching. Darüber hinaus kann Online Coaching in vielfältigen Formen durchgeführt werden. Zu den bekannten Formaten gehören Video-, Chat-, Telefon- und E-Mail-Coaching.

Fakten und Mythen

Da das Online Coaching als ortsunabhängige Dienstleistung stark zugenommen hat, sind viele Mythen rund um dessen Eigenschaften und Wirkungen entstanden. Anhand von Studien hat sich die Wissenschaft mit einigen dieser Annahmen auseinandergesetzt und versucht, den «wahren» Kern zu ermitteln. Die Aussage «Eine gute Begleitungsperson ist nicht automatisch ein guter Online-Coach» konnte beispielsweise durch Berninger- Schäfer (2020) bestätigt werden, da im Online Coaching viele zusätzliche Fähigkeiten, wie z.B. der Einsatz von Online-Tools oder eine gewisse technische Affinität, benötigt werden. Die breit vertretene Annahme, dass die beim Online Coaching auftretenden Defizite der Kommunikation nicht kompensiert werden können, ist hingegen ein Mythos, welcher Berger (2015) mit einer Studie aufdecken konnte. Besonders bei Gesprächen über Videochats können einige Kommunikationsprobleme umgangen werden, da zum Beispiel die Gefühle stärker verbalisiert werden.

Digital vs. physisch – das sagt die Forschung

Wenn es um den Vergleich zwischen klassischer, physischer Begleitung und digitalem Coaching geht, werden in der Wissenschaft vor allem Untersuchungen zur Wirksamkeit von Interventionen und zur Beziehungsgestaltung gemacht. Da es sich bei Online Coaching um ein relativ neues Format handelt, existiert bis anhin nur wenig Forschung zu dessen Wirksamkeit. Erste Ergebnisse zu Online-Interventionen im Allgemeinen stimmen jedoch optimistisch.

Untersuchungen konnten zum Beispiel zeigen, dass durch Online-Interventionen im Psychotherapiebereich dieselben kognitiven Veränderungsprozesse angestossen werden wie bei einer Face-to- Face-Therapie. Es ist sogar so, dass viele Personen Beratungsangebote eher in Anspruch nehmen, wenn sie online durchgeführt werden. Einerseits aufgrund der empfundenen Anonymität und andererseits wegen der Zeit und Ortsunabhängigkeit (Andersson et al. 2014). Da beim Online Coaching Informationsquellen aus der direkten Kommunikation wegfallen, ist dafür die Fähigkeit, unvollständige oder reduzierte sinnliche Wahrnehmungen zu ergänzen, gefragt.

Die empirischen Erkenntnisse zur Beziehungsgestaltung zeigen, dass im digitalen Setting vergleichbar gute und tragfähige Beziehungen aufgebaut werden können. Es ist also möglich eine vertrauensvolle Beziehung und ein Gefühl von Nähe zu erreichen. Als Kompensation für die Defizite der Kommunikation, aufgrund der wegfallenden nonverbalen Signale, ist der effektvolle Einsatz der Stimme hilfreich. Bei hoch emotionalen Themen hat eine Studie von Friesenhahn (2019) allerdings gezeigt, dass die Wirksamkeit von Online Coaching an ihre Grenzen stösst.

Eine Frage des (digitalen) Skillsets

Diese Erkenntnisse verdeutlichen, dass Online Coaching eine Reihe an  Herausforderungen mit sich bringt, die sich durch einen gekonnten Umgang aber gleichzeitig auch zu Chancen entwickeln lassen. Schlussendlich liegt vieles in der Hand der Beratungs- bzw. Begleitungsperson und deren Kompetenz, digital zu begleiten. Online Coaching erfordert, neben technischen Fähigkeiten und Kenntnissen zum Thema Datenschutz, eine Anpassung der Coachingprozesse, des Coachingverhaltens und der Coachingtools. Darüber hinaus gilt eine bewusstes Beziehungspflege als zentrale Basis, damit sich die Wirkung des Online Coachings voll und ganz entfalten kann.

Grosses Zukunftspotential – auch für KMU

Unter diesen Voraussetzungen stellt Online Coaching auf jeden Fall ein zukunftsfähiges Format mit Potenzial dar. Nicht nur für grosse Unternehmen, sondern auch für KMU, lohnt es sich, online-basierte Begleitungen in Anspruch zu nehmen. Denn Online Coaching überzeugt durch sein einfaches und unkompliziertes Handling – und die Möglichkeit, auf plötzliche Fragen rasche Antworten zu bekommen.


Literatur

Andersson, Gerhard / Cuijpers, Pim / Carlbring, Per / Riper, Heleen / Hedaman, Erika (2014): Guided Internet-based vs. face-to-face cognitive behavior therapy for psychiatric and somatic disorders: a systemic review and meta-analysis. National Library of Medicine.

Berger, Thomas (2015): Internetbasierte Interventionen bei psychischen Störungen. Göttingen: Hogrefe.

Berninger-Schäfer, Elke (2020): Online-Coaching. Wiesbaden: Springer.

Friesenhahn, Johanna (2019): Synchronisation im Coaching-Prozess. Coaching-Magazin, 1. S.26-31.


Die Autoren

Sonja Kupferschmid

Ist beim Coachingzentrum Olten in der Geschäftsführung tätig und hat sich beim Auf- und Ausbau des Weiterbildungsangebotes vertieft mit dem Thema Coaching auseinandergesetzt.
Durch ihre langjährigen praktischen Erfahrungen und umfangreiches Knowhow als Arbeits- und Organisationspsychologin, als Coach und Ausbildnerin sowie in der Produkteentwicklung verfügt sie über ausgewiesenes Expertenwissen in den Bereichen Coaching, betriebliches Mentoring, Resilienztraining sowie Supervision und Teamcoaching. 

Pascal Dimitri Ruchti 
Ist beim Coachingzentrum Olten als Mitarbeiter Produkteentwicklung tätig. Als BSc. Arbeits-, Organisations- und Personalpsychologie verfügt er über ein breites Grundlagewissen in den Bereichen Coaching, betriebliches Mentoring, Resilienz sowie Supervision und Teamcoaching.

 

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