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Pausenkultur

Know-How & Do-How for Coaches im August 2023

Lesedauer: ca. 6 Minuten

Aktuelles Know-How und spannendes Do-How aus der Coachingwelt warten auf dich! Lass dich für deinen Praxisalltag als Begleitungsperson laufend inspirieren und bleibe so up to date.

Lerne in diesem Monat den Begriff «Pausenkultur» kennen - erfahre durch Karin Sidler, Geschäftsführung, was darunter zu verstehen ist und wie du dieses Wissen in deinen Praxisalltag als Begleitungsperson wirkungsvoll integrieren kannst.

Pausenkultur

Mails beantworten, dann kurz eine Yogasession, auf zur digitalen Geschäftsbesprechung und während dem Mittagessen Aufträge delegieren. Unser beruflicher Alltag verschmilzt durch die Arbeitswelt 4.0 immer mehr mit unserem Privatleben. Um die Vorteile davon geniessen zu können, bedarf es unter anderem einer sensiblen Kompetenz: Pausenkultur. Mit einer erfolgreichen Pausenkultur kontern wir nicht nur Stress, sondern fördern dabei unser Wohlbefinden sowie die Kreativität und Produktivität von Mitarbeitenden und ganzen Unternehmen – um trotz fliessenden Übergängen resilient unterwegs zu sein (Däfler 2018).

Definition

Der Begriff «Pausenkultur» stammt aus der Arbeitswissenschaft und etabliert sich im Bereich der Organisationsentwicklung zunehmend. Es geht darum als Unternehmen eine Kultur rund um Arbeitspausen zu schaffen, also deren Gestaltung und Auffassung auf Ebene der Führungskräfte sowie Mitarbeitenden. . Loszulösen ist «Pausenkultur» von der gesetzlichen Erholungsgrundlage, welche je nach Tätigkeit und Branche aufgrund geleisteter Arbeitsstunden definiert, wann wie viel Pause gemacht werden muss.

Obwohl keine exakte Begriffsdefinition vorliegt, teilen sich die Fachkundigen die Ansicht, dass Pausenkultur die Bezeichnung für ein organisationales und individuelles Pausenverständnis ist. Das Wort Kultur repräsentiert hierbei geteilte Werte und Normen – in diesem Fall zum Thema Erholung und Pause während der Arbeit (Däfler 2018).

Individuelle und organisationale Pausenkultur

Grundsätzlich kann unterschieden werden zwischen individueller und organisationaler Pausenkultur. Trotz dieser begrifflichen Differenzierung ist es wichtig zu verstehen, dass beide, sowohl die individuelle als auch die organisationale Pausenkultur, zusammenwirken und nur so als Gesamtkonzept zu verstehen sind (Gündel, Glaser & Angerer 2014).

Die individuelle Pausenkultur

Was bedeutet für mich Pause und Erholung? Wie erhole ich mich während der Arbeit? Verbringe ich meine Arbeitspause mit der Kollegschaft oder lieber allein? Solche und ähnliche Fragen, sind nebst der Pausengestaltung an sich – auf welche später noch genauer eingegangen wird – als individuelle Pausenkultur zu verstehen.

Die organisationale Pausenkultur

Wie wird innerhalb der Arbeitsstätte Erholung gelebt? Wie sind diese vertraglich geregelt (sog. Pausenmanagement) und erlauben diese Regelungen eine individuelle und somit sinnvolle Pausenkultur? Immer häufiger werden Organisationen mit Labels gekürt, welche unter anderem eine neuzeitliche Auseinandersetzung mit solchen Fragen repräsentieren. Eine Firma widerspiegelt dies beispielsweise mit internen Pausangeboten wie gemütliche Erholungsräume, kollektive Unternehmungen oder einer pausenfreundlichen Umgebung rund um das Gebäude, Sprichwort Naherholungsgebiet. Solche Dinge sind sogenannte Artefakte und sind dazu da, die firmeninterne Pausenkultur darzustellen (Gündel, Glaser & Angerer 2014).

Ermüdung und Erholung in der Arbeitswelt 4.0

Gerade durch neuzeitliche Arbeitsstrukturen – flache Hierarchien, viel Entscheidungsspielraum und Homeoffice – rückt die Vereinbarung individueller und organisationaler Pausenkultur immer näher. Doch durch diese eigenverantwortlichen Strukturen wächst auch der Leistungsdruck; Pausen werden dadurch oftmals vernachlässigt oder nicht ernsthaft und achtsam durchgeführt. Studien haben gezeigt, dass die meisten Menschen – welche geistige Arbeit leisten - erst dann pausieren, wenn sie bereits müde sind. Das Problem dabei ist, dass dann die Pause wenig, bis nichts bringt (Medizinische Universität Wien, 2014). Ein Erholungseffekt setzt nämlich nur dann ein, wenn wir Pausen prophylaktisch einsetzen. Ermüdung steigt nicht linear mit der Zeit, sondern exponentiell an, das heisst, dass wir nach einer Stunde Arbeit am Ende unseres Arbeitstages mehr Ermüdung erfahren als am Anfang des Tages nach derselben Anzahl absolvierter Zeit. Hinzu kommt, dass der Erholungswert einer Pause ebenso exponentiell abnimmt. Er verhält sich also gegenteilig zur Ermüdung und somit sind Pausen am Anfang erholsamer (Gündel, Glaser & Angerer 2014).  

Richtiges Pausieren

Die Prämisse ist klar und die Forschung bestätigt: Pausen kosten Arbeitszeit, steigern aber das Wohlbefinden, die Kreativität sowie die Motivation und Produktivität, insgesamt also die Resilienz. Wie sieht also das kompetente Pausieren aus? Grundsätzlich sollten etwa 10% der Arbeitszeit aus Erholungszeit bestehen. Diese reicht von Mikropausen (eine bis zwei Minuten) in denen man kurz den Blick in die Ferne schweift, sich erhebt und durchstreckt, bis hin zu ca. 20-minütige Pausen, in denen man ein Power Nap macht. Routine, Regelmässigkeit und Rituale machen den Unterschied: Beispielsweise eine Obstpause am Vormittag oder ein, zwei kleine Teepausen am Nachmittag sorgen dafür, dass wir uns prophylaktisch erholen. Weiter gilt, dass mehrere Mikropausen erholsamer sind als wenige lange Pausen. Kontraste sind wichtige Faktoren, wenn es um die Gestaltung der Arbeitspause geht. Lesen und schreiben wir beispielsweise viel während der Arbeit, dann sind aktive Bewegungspausen – ein Spaziergang oder kurze Gymnastikübungen – erholsamer als Zeitung zu lesen. Sind wir aber körperlich aktiv während der Arbeitszeit, dann steigern passive Pausen, in denen wir uns hinsetzen und innehalten, zum Beispiel durch Achtsamkeitsübungen, den Erholungseffekt. Zu guter Letzt, weil es die wohl wichtigste Kompetenz des Erholens ist, sollten wir nicht erst dann pausieren, wenn wir bereits ermüdet sind. Spätestens beim ersten Müdigkeitsanzeichen sollten wir uns mithilfe obiger Tipps kurz eine Auszeit gönnen (Blasche 2020).

Praxistipp für Begleitungsprozesse

Was bringt mir dieses Wissen in der Praxis?

Als Begleitungspersonen unterstützen wir unsere Kundinnen und Kunden in ihren privaten sowie beruflichen Herausforderungen. Im Fokus steht dabei häufig der stimmige Umgang mit neuen Arbeitsstrukturen sowie eine erfolgreiche Work-Life-Balance.

Die Pausengestaltung ist dabei eine wichtige neuzeitliche Kompetenz, um das Wohlbefinden und die Resilienz von Mitarbeitenden, Teams und ganzen Unternehmen zu steigern. Diese zwei Dinge – Pausenkultur und Resilienz – beeinflussen sich nämlich gegenseitig: Resiliente Personen leben die Pausenkultur und diese wiederum fördert die Resilienz. Pausenkultur steht für einen ressourcenorientierten Umgang mit sich selbst und anderen und kann beispielsweise durch Resilienztrainings gefördert werden. Nicht nur Arbeitnehmende, sondern auch Führungspersonen und Teams werden mit dem Wissen rund um die individuelle und organisationale Pausenkultur gestärkt und befähigt. Mit Informationen über die Ermüdungs- und Erholungseffekte sensibilisieren wir als Begleitungspersonen unsere Kundinnen und Kunden für einen förderlichen Umgang mit Arbeitsbelastungen. Indem wir beispielsweise gemeinsam mit unserem Gegenüber mögliche Pausenroutinen oder die Pausengestaltung an sich reflektieren, unterstützen wir unsere Kundinnen und Kunden dabei eine zukunftsfähige und gesundheitsförderliche Pausenkultur leben.


Quellenangaben

Blasche, Gerhard (2020) : Erholung 4.0 – Warum sie wichtiger ist denn je. Facultas / maudrich Verlag.

Däfler, Martin-Niels (2018) : Gib mir Geduld – aber flott ! – 222 Anregungen für mehr Gelassenheit und weniger Stress. 2. Auflage. Wiesbaden : Springer.

Gündel, Harald / Glaser, Jay & Angerer, Philipp (2014) : Arbeiten und gesund bleiben – K.O. durch den Job oder fit im Beruf. Heidelberg : Springer.

Medizinische Universität Wien. (2014). Arbeitspausen sind wichtig – und erhöhen sogar die Produktivität. Verfügarb unter : https://www.meduniwien.ac.at/web/ueber-uns/news/detail/arbeitspausen-sind-wichtig-und-erhoehen-sogar-die-produktivitaet/ .



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