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Achtsamkeit und Resilienz: Mehr als nur Modeworte

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Resilienz – ein Begriff, der in aller Munde ist und gerade in der schnelllebigen VUCA-Welt an Bedeutung gewinnt.

Resilienztrainer/innen

, die wissen, wie der Umgang mit den vielfältigen Herausforderungen in unserem schnelllebigen Alltag gelingt, sind heute gefragter denn je. Und dies mit gutem Grund: Resilienz ist trainierbar und mit physischer und psychischer Gesundheit verbunden. Ein möglicher Weg, um widerstandsfähig(er) zu werden, stellt dabei eine achtsame Haltung dar.

Von Sonja Kupferschmid und Pascal Dimitri Ruchti

Manche Menschen scheinen es einfach zu können: Sie bewältigen die verschiedensten Herausforderungen des Alltags erfolgreich – und das scheinbar spielend. Weder wirken sie erschöpft, noch scheinen sie Schaden zu nehmen. Ganz im Gegenteil: Sie können auch unter ungünstigen Bedingungen wie z.B. Termindruck im Job, private Konflikte oder bittere Niederlagen standhaft bleiben. So wie ein Grashalm, der sich im Wind biegt und wieder in seine ursprüngliche Form zurückfindet.

Resilienz – eine trainierbare Fähigkeit

Eine Erklärung dafür, dass die einen widerstandsfähiger sind als andere, liefert das Konzept der Resilienz. Resilienz, oft auch als Immunsystem der Seele bezeichnet, beschreibt die Fähigkeit, Herausforderungen erfolgreich zu bewältigen und zugleich gestärkt aus ihnen hervorzugehen. Das heisst, resilienten Menschen gelingt es, sich von Umbrüchen, Krisen oder Rückschlägen nicht aus der Balance bringen zu lassen, sondern positiv auf sie zu reagieren und an ihnen zu wachsen. Dabei scheint die Resilienz willkürlich zu sein: einige sind’s, andere nicht...

Die gute Nachricht: Resilienz ist kein statisches Konstrukt, sondern als dynamischen Prozess des erfolgreichen Umgangs mit Herausforderungen zu verstehen – ein Bewältigungsverhalten, das trainierbar ist und von Resilienztrainer/-innen gefördert werden kann.

Ein ressourcenorientiertes Resilienzmodell

Der Resilienzprozess kann als Entwicklungsprozess betrachtet werden, der sich in verschiedene Komponenten zerlegen lässt (vgl. Modell in Abbildung 1). Ein als herausfordernd empfundener Impuls, z.B. eine Belastung am Arbeitsplatz, ein familiärer Konflikt oder ein persönlicher Verlust, stösst den Prozess an. Je nachdem, wie der Umgang mit dieser Herausforderung gelingt, gehen wir gestärkt oder geschwächt aus der Situation heraus (positives vs. negatives Entwicklungsergebnis). Neben Risiko- und Schutzfaktoren wie z.B. soziale Erlebnisse aus der Kindheit, die wir in unserem Rucksack mit uns tragen, haben die zur Verfügung stehenden Ressourcen eine zentrale, kraftschöpfende Funktion.
Ressourcen sind entweder in uns selbst oder in unserem Umfeld zu finden. Gemäss Wustmann (2004) können fünf Arten von Ressourcen unterschieden werden:

  • KognitiveRessourcen, die zur Bewältigung von Aufgaben und Zielen eingesetzt werden. Beispiele: Aufmerksamkeit, Merkfähigkeit, Wissen, Lernen und Erinnern, etc.
  • Emotionale Ressourcen, die helfen, Emotionen wahrzunehmen, auszudrücken und zu regulieren. Beispiele: Gefühlswahrnehmung, Empathie, Emotionskontrolle, etc.
  • Körperliche Ressourcen, die auf körperlicher Ebene angesiedelt sind. Beispiele: Körpergefühl, Bewegungs- und Ernährungsverhalten, Energiemanagement, etc.
  • Soziale Ressourcen, die sich auf das soziale Umfeld beziehen. Beispiele: Soziale Kontakte, gegenseitige Unterstützung, Zugehörigkeit, etc.
  • Motivationale Ressourcen, die uns motivieren und unserem Tun einen Sinn geben. Beispiele: Motive, Werte, Visionen, etc.

Die alleinige Verfügbarkeit dieser Ressourcen reicht allerdings nicht aus. Der wahre Schatz liegt in der Zugänglichkeit: Eine resiliente Person kennt ihr persönliches Ressourcenrad und weiss, in welchen Situationen sie diese wie abrufen und einsetzen kann (vgl. Übung).

Es gibt kein Patentrezept zur Entwicklung von Resilienz. Resilienz ist äusserst individuell. Was für die eine Person eine hilfreiche Ressource darstellt, kann für eine andere Person völlig unpassend, oder sogar ein Risikofaktor sein. Beispielsweise sind geliebte Personen im Umfeld eine Ressource in der einen Krise, doch kontraproduktiv in einer solchen, in der man möglicherweise gerne Rückzug hält und sich abschottet. Wichtig ist, dass man lernt, in herausfordernden Situationen auf sich und seine Bedürfnisse zu hören und entsprechend zu handeln – es geht darum, eine «Ressourcenkompetenz» zu entwickeln: In welcher Situation brauche ich welche Ressource und wie kann ich diese «anzapfen».

Emotionen souverän regulieren – dank Achtsamkeit

Ein im Alltag gut umsetzbarer Ansatzpunkt, um Bedürfnisse wahrzunehmen und Resilienz zu stärken, sind die emotionalen Ressourcen. Dass Körper, Gedanken und Gefühle miteinander in Wechselwirkung stehen, ist längst kein Geheimnis mehr – gerade im Umgang mit Herausforderungen sind Emotionen ein wichtiges Steuerelement.

Die Emotionsregulation, also das Wahrnehmen eigener und fremder Gefühle sowie das Steuern von Emotionen, kann durch Achtsamkeit gefördert werden. Mit einfachen Achtsamkeitsübungen können wir das bewusste Sein und Erleben im Hier und Jetzt trainieren und so in Kontakt mit uns selbst bleiben, um in herausfordernden Situationen von unseren emotionalen Ressourcen Gebrauch zu machen. Konkret hilft uns eine achtsame (Lebens-)Haltung, plötzliche Anspannungen zu lösen, die Situation zu erkennen, zu beobachten und wahrzunehmen, Gegebenheiten zu akzeptieren, Auswirkungen in uns (Körper, Gedanken und Gefühle) zu erforschen und mit den resultierenden Emotionen achtsam umzugehen (Berking, 2010).
Gelingt es uns, in hektischen Zeiten uns bewusst einen Moment zurückzunehmen und die Lage aus der Sicht einer «inneren Beobachtung» zu betrachten, so können wir bewusster reagieren und Emotionen in eine lebendige Kraft und Ressourcenkompetenz umwandeln.

Achtsamkeit und Resilienz – das sagt die Forschung

Der aktuelle Stand der Forschung spricht dafür, dass wir mit einer achtsamen Lebensweise unsere Widerstandsfähigkeit stärken können. Neben Metaanalysen, welche die Wirksamkeit achtsamkeitsbasierter Interventionen belegen (z.B. Joyce et al., 2018), weisen einige Studien darauf hin, dass sich Resilienz durch Achtsamkeit trainieren lässt:  Eine Studie von Denkova et al. (2020), die sich mit der Trainierbarkeit von Resilienz auseinandersetzt, zeigt, dass Achtsamkeitstraining die psychische Belastbarkeit signifikant erhöht. Auch Jingjing et al. (2020) konnten nachweisen, dass Meditieren zu mehr Achtsamkeit, innerer Ruhe und Resilienz führt.
Darüber hinaus zeigt sich: Es lohnt sich – unabhängig davon, welche Ressource im Fokus steht – Resilienz zu trainieren. Auch wenn es nicht voll und ganz vor Krisen schützt, weisen diverse Studien darauf hin, dass resiliente Menschen physisch und psychisch gesünder sowie emotional stabiler sind (z.B. Färber & Rosendahl, 2018; Fichte, 2017).

Das Tätigkeitsfeld von Resilienztrainer/innen

Fachpersonen, die ein fundiertes Know-How rund um den Umgang mit Herausforderung besitzen und Menschen in diesem Entwicklungsprozess begleiten, werden als Resilienztrainer/innen bezeichnet. Grundsätzlich unterstützt ein/e Resilienztrainer/in Einzelpersonen, Teams oder auch Organisationen, eine innere Widerstandsfähigkeit zu entwickeln. Durch massgeschneiderte Trainings mit theoretischen Impulsen, Instrumenten zur Standortbestimmung und resilienzfördernden Tools und Methoden stärken sie ihr Gegenüber darin, Herausforderungen auf gesunde Art und Weise zu begegnen. Drei zentrale Elemente dieses Tätigkeitsfeldes werden nachfolgend erläutert.

1. Unterstützende Grundhaltung schaffen

Resilienz hat viel mit Haltung zu tun. Eine unterstützende Grundhaltung zeichnet sich dadurch aus, dass sie einen im Hinblick auf den Resilienzprozess «stützt». Aus diesem Grund regen Resilienztrainer/-innen ihr Gegenüber dazu an, ressourcenorientiert zu denken, sich auf Lösungen zu fokussieren sowie sich und andere wertzuschätzen. Dies wiederum hilft, Dinge so zu nehmen, wie sie sind und das Beste daraus zu machen.

2. Ressourcen entdecken, aufbauen und aktivieren

Ob sich eine Herausforderung erfolgreich bewältigen lässt, hängt zu einem Grossteil vom Zugang zu Ressourcen ab. Das Schlüsselweg dafür ist die Ressourcenaktivierung. Resilienztrainer/-innen suchen mit ihrem Gegenüber persönliche Ressourcen (z.B. Dankbarkeit, Kreativität), die gestärkt werden können, bauen gezielt neue Ressourcen auf und erarbeiten individuelle Strategien, um diese zu aktivieren. Ziel ist es, im täglichen Leben (selbst-)verantwortungsvoll handeln zu können.

3. Üben und Trainieren

Um dieses Ziel zu erreichen, ist Ausprobieren das A und O. Sei es das Praktizieren von Achtsamkeit oder das Kultivieren positiver Emotionen: Wie bei allen Fähigkeiten macht auch hier Übung den Meister. Deshalb bieten Resilienztrainer/-innen ihrem Gegenüber Möglichkeiten zum Ausprobieren, Üben und Experimentieren und legen gemeinsam Trainingssituationen im Alltag fest. Um den Transfer in die Praxis sicherzustellen, werden auch allfällige Hindernisse beleuchtet und Tipps & Tricks im Umgang damit thematisiert.

Einsatzbereiche und Kompetenzen

Resilienztrainer/innen werden häufig von Organisationen beauftragt, Trainingsprogramme zur Gesundheitsförderung und Stress-/Burnout-Prävention zu gestalten, z.B. im Rahmen des betrieblichen Gesundheitsmanagements. Darüber hinaus unterstützen sie Einzelpersonen im Umgang mit konkreten Herausforderungen, stärken Gruppen oder Teams in ihrer Widerstandsfähigkeit oder begleiten Unternehmen während der agilen Transformation.
Ausgebildete Resilienztrainer/-innen bringen ein fundiertes Fachwissen und einen Rucksack mit wertvollen Tools zur Resilienzförderung mit. Zudem kennen sie ihre eigenen Ressourcentankstellen, haben eine achtsame Haltung und sind als Vorbild selbst resilient unterwegs.

Übung: Ressourcenrad

Schritt 1: Ressourcenrad erstellen

Gestalten Sie Ihr persönliches Ressourcenrad, indem Sie die fünf Ressourcenarten in einem Netzdiagramm mit je einer Skala von 1 bis 10 darstellen und sich so die Ausprägung Ihrer Ressourcen vor Augen führen.

  • Wie sind Ihre Ressourcen ausgeprägt (IST)?
  • Welche Ausprägung wünschen Sie sich (SOLL)?
  • Wo stimmen die IST- und SOLL-Werte überein? Wo gibt es Differenzen?

Schritt 2: Ressourcen definieren

Bestimmen Sie nun eine Ressource, die Sie genauer unter die Lupe nehmen möchten und definieren Sie diese.

  • Was verstehen Sie unter der Ressource X? Was macht sie aus?
  • In welchen Situationen/Kontexten ist diese für Sie von Bedeutung?

Schritt 3: Ressourcen entwickeln

Reflektieren Sie, wie Sie die gewählte Ressource (weiter)entwickeln können.

  • Was braucht es, damit Sie bei der Ressource X Ihren SOLL-Wert erreichen?
  • Was sind Ihre nächsten Schritte?
  • Wer oder was kann Sie dabei unterstützen?


Literatur

Berking, M. (2010). Training emotionaler Kompetenzen. Heidelberg: Springer Verlag.

Denkova, E., Zanesco, A.P., Rogers, S.L. & Amishi P.J. (2020): Is resilience trainabel? An initial study comparing mindfulness and relaxation training in firefighters. In: Psychiatry Research, 285: 1-8.

Färber, F. & Rosendahl, J. (2018): The Association Between Resilience and Mental Health in the Somatically Ill. Deutsches Arzteblatt International, 115(38): 621–627.

Fichte, J. (2017): Resilienz und emotionale Stabilität von Managern. Wiesbaden: Springer Verlag.

Jingjing, G., Jingjing, Y., Guangyu, J. & Yong, Z. (2020): Dispositional Mindfulness and Past-Negative Time Perspective: The Differential Mediation Effects of Resilience and Inner Peace in Meditators and Non-Meditators. In: Psychology Research and Behavior Management, 13: 397-405.

Joyce, S., Shand, F., Tighe, J., Laurent, S.J., Bryant, B.A. & Harvey, S.B. (2018). Road to resilience: a systematic review and meta-analysis of resilience training programmes and interventions. In: BMJ Open, 8: 1-9.

Kumpfer K. L. (1999): Factors and processes contributing to resilience: The resilience framework,

in: M. D. Glantz & J. L. Johnson (Hrsg.), Resilience and development: Positive life adaptation (S. 179-224). New York: Kluwer Academic/Plenum Publisher.

Wustmann, C. (2004): Resilienz. Widerstandsfähigkeit von Kindern in Tageseinrichtungen fördern.

Weinheim: Beltz Verlag.


Die Autoren

Sonja Kupferschmid 

ist beim Coachingzentrum Olten in der Geschäftsführung tätig und hat sich beim Auf- und Ausbau des Weiterbildungsangebotes vertieft mit dem Thema Coaching auseinandergesetzt.
Durch ihre langjährigen praktischen Erfahrungen und umfangreiches Know-How als Arbeits- und Organisationspsychologin, als Coach und Ausbildnerin sowie in der Produkteentwicklung verfügt sie über ausgewiesenes Expertenwissen in den Bereichen Coaching, betriebliches Mentoring, Resilienztraining sowie Supervision und Teamcoaching. 

Pascal Dimitri Ruchti 
iIst beim Coachingzentrum Olten als Mitarbeiter Produkteentwicklung tätig. Als BSc. Arbeits-, Organisations- und Personalpsychologie verfügt er über ein breites Grundlagewissen in den Bereichen Coaching, betriebliches Mentoring, Resilienz und Supervision & Teamcoaching.

 

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