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TOPOI-Modell

Ein kulturübergreifender Reflexionsrahmen für die Entdeckung und Analyse von Diversitätsunterschieden


Artikel verfasst von Claudia Meierhans, Dozentin IZB, PH Zug

Wie kann ich Missverständnisse in der Kommunikation mit Menschen mit einem anderen kulturellen oder religiösen Hintergrund vertiefter verstehen und überbrücken? Wie soll ich mit religiös begründeten Wünschen und Bedürfnissen umgehen? Für solche oder ähnliche Fragen bietet das TOPOI-Modell einen Analyserahmen und praktische Anweisungen für den kommunikativen Umgang mit Menschen unterschiedlicher Differenzkategorien. Dabei werden nach Edwin Hoffmann (2020) bei national-kulturellen, ethnisch-kulturellen und religiösen Unterschieden am meisten Fragen aufgeworfen. Im interkulturellen Coaching kann das TOPOI-Modell entsprechend als Analyserahmen zur Vorbereitung von herausfordernden Gesprächssituationen im inter- oder transkulturellen Setting eingesetzt werden oder als Reflexionsinstrument, um Gesprächssituationen und die neuralgischen Punkte für das Entstehen von Missverständnissen herauszuarbeiten.

Das TOPOI-Modell basiert auf der Grundlage einer Bearbeitung der fünf Axiome von Watzlawick et al. (2003, S. 50 ff.) und wurde von Edwin Hoffmann (ursprünglich auf Niederländisch) entwickelt (Hoffman 2015). Es unterscheidet fünf Kommunikationsbereiche, in denen Unterschiede und Missverständnisse zur Geltung kommen können: Sprache, Sichtweise, Personen, Organisation und Wollen. Die Reihenfolge TOPOI bildet das Akronym aus den Anfangsbuchstaben der niederländischen Wörter Taal (Sprache), Ordening (Sichtweise), Personen (Personen), Organisatie (Organisation) und Inzet (Wollen). 

Der Bereich Sprache umfasst die verbale und nonverbale Sprache, mit der sich Menschen ausdrücken. Menschen kommunizieren auf der Grundlage ihrer eigenen Annahmen, ihrem Vokabular, Sprachgebrauch und Körpersprache. Bei der Kommunikation mit jemanden, der sich in diesen Aspekten unterscheidet, ist es manchmal schwierig festzustellen, was die Person zu sagen hat und wie sie die gesendete Nachricht aufnehmen wird. 

Der Bereich Sichtweise beschreibt die Sichtweise der Beteiligten auf die Fragen, um die es im Gespräch geht. Da jeder Mensch eine gegebene Situation vor dem Hintergrund der eigenen Erfahrungen und Prägungen interpretiert, können sehr unterschiedliche Sichtweisen auf dieselbe Situation entstehen. 

Der Bereich Personen beschreibt die Beziehungsebene in der Kommunikation. Gesprächspartner übermitteln (meist unbewusst) neben inhaltlichen Botschaften auch Botschaften auf der Beziehungsebene: So sehe ich mich selber, so sehe ich dich und so sehe ich unsere Beziehung. Jeder Mensch verfügt über verschiedene soziale Identitäten. Die Reduktion oder Zuschreibung des Gesprächspartners / der Gesprachspartnerin auf eine soziale Identität (z.B. Mann, Moslem) kann Ursache von Missverständnissen sein. 

Der Bereich Organisation umfasst den organisatorischen und gesellschaftlichen Kontext, in dem die Kommunikation stattfindet. Auf der Makroebene sind dies beispielsweise die gesellschaftlichen und politischen Machtverhältnisse oder die geltenden Gesetze und Verordnungen. Auf der Mesoebene sind dies bestehende Institutionen, Unternehmen und Organisationen mit ihren je individuellen Strategien, Kulturen und Arbeitsprozessen. Die Mikroebene umfasst die konkreten organisatorischen Aspekte eines Gesprächs wie Zeit, Ort und Rahmenbedingungen. 

Der Bereich Wollen beinhaltet die zu Grunde liegenden bewussten und unbewussten Beweggründe, Absichten, Interessen, Wünsche, Bedürfnisse und Werte aller Beteiligten. Das Erkennen und Anerkennen der zu Grunde liegenden Motive ist dabei eine Grundvoraussetzung für eine gelingende Kommunikation. 

Die oben aufgeführten fünf Bereiche des TOPOIModells sind eine Konkretisierung von kulturellen und anderen Aspekten, die zu Missverständnissen in der Kommunikation führen können. Sie können den Coach oder Coachee unterstützen, sich auf Unterschiede, die in der Kommunikation auftreten können, einzustellen. Dabei sind die fünf Bereiche in der Praxis eng miteinander verflochten. Wenn beispielsweise in einer Verhandlung die Teilnehmenden im Bereich Sprache dem Begriff «Deadline» unterschiedliche Bedeutungen geben, kann dies zu einem Missverständnis im Bereich Sichtweise im Hinblick auf die Frage der «rechtzeitigen Lieferung» führen. Im Bereich Personen kann dieser Unterschied in der Sichtweise negative Auswirkungen auf das gegenseitige Vertrauen und die kooperative Beziehung haben und zu praktischen Problemen im Bereich Organisation führen, obwohl die Absichten aller im Bereich Wollen positiv sind. Eine Intervention im Bereich Sprache allein (Klärung des Begriffs «Deadline») wird sich also positiv auf die anderen vier TOPOI-Bereiche auswirken. 


Literatur 
Hoffmann, E. (2015). Interkulturelle Gesprächsführung. Theorie und Praxis des TOPOI-Modells. Springer VS: Wiesbaden.
Hoffmann, E. (2020). Interkulturelle Gesprächsführung. Menschen begegnen einander, nicht Kulturen. Springer VS: Wiesbaden. 
Watzlawik P., Jackson, D., & Beavin, J. (2003). Menschliche Kommunikation. Verlag Hans Huber: Göttingen. 

 

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